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Orbán wirft Merkel Nazi-Methoden vor

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Ungarischer Premier vergleicht Politik Berlins mit Hitlers Besetzung von 1944.


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Budapest. Viktor Orbán schockiert erneut mit verbaler Kraftmeierei: In einem Interview mit dem ungarischen Staatsrundfunk hat Ungarns Ministerpräsident die deutsche Bundesregierung mit dem Hitler-Regime gleichgesetzt. "Die Deutschen haben schon einmal eine Kavallerie nach Ungarn geschickt, in Form von Panzern. Unsere Bitte ist, sie nicht zu schicken. Es war keine gute Idee, sie hat sich nicht bewährt." Orbán bezog sich damit auf den deutschen Einmarsch 1944 in Ungarn und reagierte auf ein Statement der Bundeskanzlerin Angela Merkel beim WDR-Europaforum vergangene Woche. Dort hatte Merkel gesagt: "Wir werden alles tun, um Ungarn auf den richtigen Weg zu bringen, aber nicht gleich die Kavallerie schicken." Damit hatte die Kanzlerin auf eine Forderung des SPD-Politikers Peer Steinbrück reagiert, der über einen möglichen EU-Ausschluss Ungarns wegen Verstößen gegen demokratische Prinzipien gesprochen hatte. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle verurteilte Orbáns Worte als "Entgleisung", ebenso die Opposition in Ungarn.

Orbáns Vergleich ist nicht nur unsäglich, er stützt sich auch noch auf eine fragwürdige Interpretation der Geschichte. Als die Truppen Nazi-Deutschlands im März 1944 Ungarn besetzten ("Operation Magarethe"), war Budapest schon längst ein enger Verbündeter Berlins. Noch dazu begrüßte der ungarische Generalstab die deutsche Besetzung. Es war also kein feindlicher Angriff, der etwa gleichzusetzen wäre mit dem Vorgehen Hitler-Deutschlands vorher in Polen und in der Tschechoslowakei. Aus Ungarn wurden kurz nach dem Einmarsch der Deutschen in Rekordzeit mehr als 400.000 Juden nach Auschwitz deportiert. Historiker sind sich einig darüber, dass diese schnelle Massendeportation nur mit eifriger Mitwirkung ungarischer Kräfte möglich war. Der Regent des Landes, Admiral Miklós Horthy, tauschte nach dem Einmarsch nur die deutsch-kritische gegen eine pro-deutsche Regierung aus.

Mit seiner Entgleisung bringt Orbán ausgerechnet seine wichtigsten Verbündeten in Europa in Schwierigkeiten. Es dürfte immer anstrengender für die Christdemokraten werden, Ungarn gegen Kritik aus dem EU-Parlament in Schutz zu nehmen. Dort verlangen Linke, Grüne und Liberale, dass dem Orbán-Land auf der Grundlage von Artikel 7 der EU-Verträge Stimmrechte in EU-Gremien entzogen werden.

Deutschlands christdemokratisch-liberale Regierung hat es bisher eher vermieden, den rechtskonservativen Orbán öffentlich hart und deutlich zu kritisieren. Die Schelte spiele sich dafür inoffiziell, im Hintergrund ab, sagen Diplomaten. Erst vor kurzem hatte Außenminister Westerwelle (FDP) nach einem Treffen mit Orbán in Budapest versucht, Brücken zu bauen. "Zweifelsohne gibt es Fehlentwicklungen", sagte Westerwelle damals, ohne Details zu nennen. "Deshalb müssen wir das Gespräch mit der ungarischen Regierung jetzt ganz bewusst intensiv suchen, der Gesprächsfaden darf nicht abreißen", sagte er weiter. Westerwelle hatte Orbán am Rande der in Budapest tagenden Versammlung des Jüdischen Weltkongresses (WJC) getroffen. Da er Orbán seit 20 Jahren persönlich kenne, gehe er davon aus, offen mit ihm reden und "die Dinge beim Namen nennen" zu können, meinte Westerwelle. Er kennt Orbán aus der Zeit, als der Eiserne Vorhang fiel. Damals trat der Ungar noch als Liberaler auf. Lang ist dies her. Jetzt konkurriert Orbán mit den Rechtsradikalen in seinem Land um Wählerstimmen.