Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Budapest. Die ungarische Regierung fühlt sich bestätigt: Sie hat schon vor längerer Zeit Banken gezwungen, Franken-Kredite zu für die Geldinstitute ungünstigen Wechselkursen in Forint-Darlehen zu tauschen. Und nun, seitdem der Franken einen Höhenflug hinlegt, blicken andere Regierungen auf das Beispiel Budapests. Kroatien etwa hat zum Schutz der Kreditnehmer per Regierungsbeschluss den Wechselkurs der Kuna zum Franken eingefroren - die Kursunterschiede sollen in der Zwischenzeit von den Banken getragen werden. Polen will zwar vorerst nicht zu solchen Maßnahmen greifen, verhandelt aber mit den Banken, wie man den zahlreichen Frankenkreditnehmern etwas Last von den Schultern nehmen kann.
Die Frankenkredite sind in vielen Ländern eine soziale Bombe. Auch in Ungarn standen zahlreiche Familien vor der Delogierung, berichtet die österreichische Wirtschaftsdelegierte in dem Nachbarland Erika Teoman-Brenner. Dass Ungarns Premier Viktor Orban diese Bombe entschärfte, war wohl mit ein Grund, warum er im Frühling 2014 die Parlamentswahlen erneut gewann.
Die Geldinstitute, die in Ungarn auch eine Bankensteuer zahlen müssen, hatten freilich den Schaden. Und die Aktion hat "mittelfristig auch dem Wirtschaftsstandort Ungarn geschadet", sagt Teoman-Brenner. Denn die ungarische Regierung habe mit der Zwangsmaßnahme für Banken Investoren verunsichert.
Regierung verweigert Dialog mit Berufsverbänden
Und generell kämpfen ausländische Investoren laut Teoman-Brenner mit der "völligen Verweigerung des Dialogs" seitens der Regierung Orban. Diese diskutiert nicht, sondern dekretiert. Die Berufsverbände werden somit nicht gehört. Derzeit legt sich Budapest mit dem Lebensmittelhandel an. Der hat nun eine Gebühr aufgelastet bekommen, die progressiv ausgelegt ist und mit Umsatz steigt. Das trifft vor allem die großen ausländischen Ketten.
Andererseits seien viele Maßnahmen Orbans "aus ungarischer Sicht verständlich", sagt Teoman-Brenner. So will der Premier etwa die ungarischen Klein- und Mittelbetriebe stärken.
Zudem setzt Orban stark auf die Industrie. Denn das ist offenbar eine der Leitlinien der ungarischen Regierung: Dass die Krise die stark industrialisierten Länder besser überstanden haben als die Staaten, die vor allem auf den Dienstleistungssektor setzten. Die Industrie wird auch von Sonderabgaben verschont.
Generell ist die Entwicklung im Nachbarland positiv: Die Wirtschaft ist 2014 um rund drei Prozent gewachsen, auch der Inlandskonsum ist wieder angesprungen. "Die fundamentalen Zahlen schauen nicht schlecht aus", sagt Teoman-Brenner. "Aber sie stehen auf ein bisschen wackligen Beinen". Denn Ungarn hängt stark an EU-Fördergeldern und ist von seiner Exportindustrie abhängig. Vor allem wenn der Motor Deutschland ins Stottern kommt, lahmt auch Ungarn.