Orbán auch innerhalb der Fidesz unter Druck. | Gyurcsány wirbt für Weiterführung der Koalition. | Budapest. Spätestens nach dem Wahlkampffinale in Ungarn ist klar: Der rechtspopulistische Spitzenkandidat Viktor Orbán kämpft längst nicht mehr bloß darum, im zweiten Wahlgang doch noch die Koalition aus Sozialisten und Liberalen umzukehren. Letztlich geht es um Orbáns politisches Überleben. Verliert er die zweite Parlamentswahl in Folge, wird er auch innerhalb seiner Fidesz-Bewegung gehörig unter Druck geraten.
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"Wir haben nach wie vor eine reale Chancen auf den Sieg", posaunte Orbán daher bei allen seinen Wahlveranstaltungen vor der zweiten Runde, nicht zuletzt um auch die Parteibasis zuversichtlich zu stimmen. Ein regelrechtes Monsterprogramm hat Orbán in den zwei Wochen zwischen den beiden Wahlgängen absolviert: Weit mehr als 3000 Kilometer ist der Fidesz-Chef kreuz und quer durchs Land getourt.
Ob der Aufwand lohnte, ist fraglich. Denn der knappe Ausgang der ersten Runde - die Sozialisten von Premier Ferenc Gyurcsány kamen auf 43,2 Prozent, Orbáns Fidesz auf 42,1 - täuscht: Um den Sieg doch noch einzufahren, müsste die Rechte in rund 75 der noch offenen 110 Wahlkreise gewinnen. Gemeinsam mit den Reststimmen-Mandaten wäre dann eine Mehrheit im Parlament möglich. Doch ohne die zweite rechte Partei, das kleine konservative Ungarische Demokratische Forum, kann Fidesz das kaum noch schaffen.
Keine Zusammenarbeit
MDF-Vorsitzende Ibolya Dávid hat allerdings sämtliche Avancen Orbáns eiskalt abgelehnt. Sogar als Orbán, dem MDF als Belohnung für ein Wahlbündnis für die zweite Runde und eine darauf folgende Koalition den Posten des Premiers anbot, lehnte Dávid ab: Das sei zuwenig, Orbán müsste sich auch von seinem wirtschaftsfeindlichen populistischen Programm verabschieden. Das war dem Fidesz-Chef dann doch zuviel. Beleidigt zog er sich in die Pose des ungarischen Robin Hood zurück, der das Land vor ausländischen Großkonzernen und seinen inländischen Lakaien schützt: "Ich bin gewissen großkapitalistischen Kreisen im Weg."
Manche seiner Parteikollegen schätzen das kämpferische Gehabe des Chefs gar nicht. Der Fidesz-Bürgermeister Lajos Kosa fordert von Orbán daher nach wie vor: "Wir müssen, um jeden Preis ein Agreement mit dem MDF erreichen." Inzwischen haben sich auch Ex-Außenminister Zsolt Nemeth und der einflussreiche Budapester Fidesz-Mann Andras Deak in die Riege der parteiinternen Orbán-Kritiker eingereiht.
Vieles deutet darauf hin, dass für Viktor Orbán seine vor der ersten Runde üppig gestreuten populistischen Sozialversprechen zu einem Bumerang geworden sind. Gemessen an ihnen erscheint die sozial-liberale Koalition von Premier Gyurcsány immer noch als die eindeutig marktfreundlichere Variante. Die "Financial Times" sieht Gyurcsány daher nicht zufällig in der Nähe von New Labour und Tony Blair, der den ungarischen Sozialistenchef im Wahlkampf unterstützt hat.
Wer zahlt für die Ideen?
Während Orbáns Fidesz mit Wahlversprechen auf Stimmenjagd gegangen ist, deren Verwirklichung das Budget mit zusätzlichen 13 Milliarden Euro belasten würde, hat Gyurcsány geschickter agiert. Auf die Frage nach der Finanzierung seiner Ideen hat er immer wieder auf Mittel der EU verwiesen, ohne freilich konkrete Beträge nennen zu können. Gyurcsány will sich, wenn wiedergewählt, unter anderem um den Ausbau der Straßeninfrastruktur kümmern, aber auch um die Revitalisierung von Platenbauten. Bei der längst fälligen Sanierung des Gesundheitswesens kann sich Gyurcsány zumindest Teilprivatisierungen vorstellen, was Orbán vehement ablehnt. Anders als Orbán will Gyurcsány Ungarn bereits 2008 Euro-fit machen und 2010 tatsächlich der Währungsunion beitreten.
Darum würde sich der Premier auch künftig am liebsten mit einem Koalitionspartner kümmern. Ungarn habe schon in den vergangenen vier Jahren dadurch gewonnen, dass eine Koalitionsregierung das Land regiert habe, erklärte Gyurcsány im Ungarischen Fernsehen. Die jetzige, sozialliberale Koalition verbinde "zwei gut kooperierende Gedanken", nämlich den liberalen und den sozialdemokratischen.