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Orbans Manifest "wider den kommunistischen Ungeist"

Von WZ-Korrespondentin Karin-Bachmann

Europaarchiv

Neue Verfassung enthält Bekenntnis zu Nationalstolz und Christentum. | Budapest. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat 2011 zum Jahr der Erneuerung Ungarns deklariert. Auftakt wie Krönung des Umbruchs markiert die Verabschiedung einer neuen Verfassung. Nach den Plänen der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz tritt sie am Ostermontag in Kraft, also einem kirchlichen Feiertag.


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Das kommt nicht von ungefähr. Der neue Verfassungstext soll mit "Gott segne den Ungarn", dem ersten Vers der Nationalhymne, beginnen, und im Eingangskapitel, das nicht etwa mit "Präambel", sondern voraussichtlich mit "Nationales Credo" überschrieben wird, soll mehrfach Bezug auf die "herausragende Bedeutung des Christentums für die ungarische Geschichte" genommen werden, etwa indem darin der Stolz auf den Nationalheiligen Stephan festgeschrieben ist.

Deutlicher hätte nicht ausfallen können, was dem Premier bei der Verfassungsreform angeblich am wichtigsten ist: eine konsequente Absage an die kommunistische Diktatur und ihre geistigen Grundlagen. Die derzeitige Verfassung stammt nämlich noch aus dem Jahr 1949. Künftig soll sie "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der ungarischen Nation sowie die Grundwerte und -ziele des Staates" widerspiegeln und so auch die staatsrechtliche Grundlage für die von Orban im Frühjahr 2010 angekündigte Revolution liefern, im Rahmen derer er Ungarn in 15 bis 20 Jahren nachhaltig verändern will.

Die Kommission, die den Verfassungstext erarbeitet, tagt erst seit einigen Monaten. Mit einer grundlegenden Verfassungsreform beschäftigen sich die Rechtsexperten des Fidesz aber schon seit Jahren. In Kooperation mit Ex-Staatspräsident Laszlo Solyom entstand der erste systematische Verfassungskommentar, der für die Auslegung von Verfassungsbestimmungen maßgebend bleibt.

An der Struktur des Staates ändert sich nach offizieller Lesart mit der neuen Verfassung kaum etwas, auch wenn das Nachbarland dann Ungarn statt Republik Ungarn heißen wird. In diesem Zusammenhang verweisen Vertreter der Regierungspartei gern darauf, dass sie sich bei der Reform an "international für gut befundenen Verfassungen" wie dem deutschen Grundgesetz orientieren. Ungarn sei und bleibe ein Rechtsstaat. Insofern sei auch gerade nicht daran gedacht, etwa die Stellung des Staatspräsidenten zu stärken, versuchen sie das wichtigste Argument von Kritikern der Verfassungsreform zu entkräften. Seine Befugnisse würden in der neuen Verfassung lediglich systematisiert.

Stimmrecht für Kinder

Zuletzt wurde bekannt, dass darin ein Mehrfachwahlrecht für Familien mit Kindern vorgesehen ist. Von einem Wahlrecht für Auslandsungarn wird offenbar abgesehen. Seine Einführung stand im Raum, seit das Parlament im Sommer ein Gesetz verabschiedete, wonach außerhalb Ungarns lebende Angehörige von ungarischsprachigen Minderheiten die ungarische Staatsbürgerschaft beantragen können. Außerdem soll die im Zusammenhang mit dem Mediengesetz beschlossene Medienverfassung Eingang in die Verfassung finden. Und es wird ein Limit für die Staatsverschuldung festgeschrieben. Bedeckt halten sich die politisch Verantwortlichen in Bezug auf die Ausgestaltung der Ausführungsbestimmungen zur Verfassung. Rechtsexperten zufolge lassen aber erst sie Rückschlüsse darauf zu, was die Regierung mit der Verfassungsreform tatsächlich bezweckt.