Sozialistenchef nennt Gespräche | über Schmitt-Nachfolger "eine Farce".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Budapest. Aus den Reihen der Opposition trat nach dem Rücktritt des ungarischen Staatspräsidenten Pal Schmitt am offensivsten der sozialistische Ex-Premier Ferenc Gyurcsany auf den Plan. Den Abgang des Staatsoberhaupts feierte er lautstark als "Erfolg der wahren Demokratie". Am gestrigen Dienstag präsentierte er mit Gabor Ivany, dem Vorsitzenden der Ungarischen Evangeliumsbrudergemeinschaft, den allerersten Kandidaten für die Schmitt-Nachfolge. Ins Rennen geht Ivany für die Demokratische Koalition, mit der sich Gyurcsany im Oktober von der MSZP abgespalten hatte.
Die Spitzen der drei anderen Oppositionsparteien - neben der MSZP sind dies die Rechts-Partei Jobbik und die grün-liberale LMP - verharrten unterdessen in altbekannten Mustern, indem sie sich in Kritik am regierenden Fidesz erschöpften. Der MSZP-Vorsitzende Attila Mesterhazy etwa bezeichnete ein Treffen, zu dem Ministerpräsident Viktor Orban am Abend nach Schmitts Rücktritt Vertreter aller Fraktionen eingeladen hatte, um das Vorgehen bis zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts zu koordinieren, als Farce. Die Regierungspartei sei nicht an Dialog interessiert.
Opposition zerstritten
Nach Schmitts Rücktritt muss innerhalb von 30 Tagen ein neuer Präsident gewählt werden. Dem Premier obliegt es, einen Präsidentschaftskandidaten zu ernennen, über den das Parlament abstimmt. Die Wahl Schmitts zum Präsidenten vor zwei Jahren hatte Orban nahezu im Alleingang dirigiert. Dem Fidesz-Fraktionsvorsitzenden Janos Lazar zufolge soll die Opposition nunmehr ausdrücklich eingebunden werden. Der Ministerpräsident gibt sich unterdessen nonchalant. "Es gibt auch ein Leben nach der Zweidrittelmehrheit", bemühte er sich gestern den Eindruck zu verwischen, er dulde niemanden neben sich.
Mesterhazy plädiert dafür, dass Schmitts Amtsvorgänger Laszlo Solyom erneut erster Mann im Staat wird. Nach dem Machtwechsel vor zwei Jahren hatte sich Orban, für viele überraschend, von Solyom abgewandt und alsbald Schmitt ins höchste Staatsamt gebracht.
Jobbik unterstützt Mesterhazys Vorschlag ausdrücklich nicht. Der Parteivorsitzende Gabor Vona sprach sich auch gegen Parlamentspräsident Laszlo Köver als neuen Präsidenten aus. Es gilt derzeit als sehr wahrscheinlich, dass Viktor Orban entweder Köver, der kommissarisch Schmitts Amtsgeschäfte wahrnimmt, oder den Europaabgeordneten Janos Ader wie angekündigt am 16. April zum Präsidentschaftskandidaten nominiert.
Stattdessen plädierte Vona dafür, die Wähler über die Person des Präsidenten entscheiden zu lassen, "um dem Amt seine Würde zurückzugeben". Für eine Direktwahl könnte sich auch Mesterhazy erwärmen, wenn er sich denn nicht mit dem Vorschlag durchsetzt, dass der Präsident künftig von mindestens vier Fünfteln statt wie bisher zwei Dritteln aller Abgeordneten gewählt werden muss.
Die Uneinigkeit der Opposition zeigt, dass die politische Übermacht Viktor Orbans nicht allein auf der Dominanz des Fidesz im Parlament gründet. Die Opposition scheint derzeit nicht in der Lage, auch nur den kleinsten Erfolg zu ihren Gunsten umzumünzen, indem sie sich über einen gewissen Zeitraum auf einen gemeinsamen Nenner verständigt. Immerhin hatten sich wohl auch durch die Forderung aller vier Oppositionsparteien nach einem Rücktritt Schmitts immer mehr Fidesz-Mandatare ermutigt gefühlt, öffentlich ihren Unmut über den Präsidenten kundzutun, und damit Viktor Orban unter erheblichen Druck gesetzt. Dieser Triumph könnte über die Zerstrittenheit in der Frage des Präsidentschaftskandidaten schnell wieder in Vergessenheit geraten.