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In Albanien sind die kulturellen Einflüsse vielfältig - und nicht zuletzt daraus will die Tourismusbranche Kapital schlagen.
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Manchmal, sagt Nikos, bekommen es die Griechen immer noch zu hören. "Sprich albanisch; wir sind hier in Albanien", heißt es dann. Wie in jedem anderen Staat gibt es auch in dem Balkanland Menschen, die ihre Ressentiments pflegen: gegen andere Religionen, Ausländer oder eben ethnische Minderheiten. Der 50-jährige Nikos beherrscht beide Sprachen, seit einiger Zeit besitzt er auch einen zweiten, griechischen Pass. Etliche Monate im Jahr verbringt er in Athen.
Doch geboren und aufgewachsen ist er in der Nähe von Himare, an der albanischen Mittelmeerküste. Mittlerweile befindet sich dort eine griechische Schule. Aber in seiner Kindheit durfte Nikos die Sprache seiner Eltern, Großeltern und Urururgroßeltern nur zu Hause benutzen. Die Repressionen, mit denen der paranoide Diktator Enver Hoxha Jahrzehnte lang die albanische Bevölkerung im Griff und in der völligen Isolation vom Rest der Welt hielt, reichten bis in die Straßen der Bergdörfer, in denen die Bewohner ebenfalls aufpassen mussten, was sie sagten.
In den Jahrtausenden davor war das Land zahlreichen Einflüssen ausgesetzt: slawischen, griechischen, türkischen. Der Stamm von Orestes, Agamemnons‘ Sohn, soll sich hier niedergelassen haben. Und solche Beispiele osmanischer Architektur wie in der zentralalbanischen Stadt Berat mit ihren übereinandergestapelten Häusern, deren oberes Stockwerk über das untere hängt, mit ihren Erkern und dunklen Holzfenstern sind in der Türkei selbst so gut wie gar nicht mehr zu finden. Die Kathedrale steht dort gleich neben der so genannten Blechmoschee. Nur ein kleines Stück weiter schmiegt sich ein orthodoxes Kloster an den Berghang. Dennoch war das Miteinander oft eher ein Nebeneinander: Das eine Viertel bevorzugten die Christen und Juden, im anderen wohnten mehr Muslime.
So wirkt auch Himare, von der Hauptstadt Tirana ungefähr vier Mal so weit entfernt wie von der Grenze zum benachbarten Griechenland, eher wie eine Exklave. Um den kleinen Hafen gruppieren sich Lokale, die sich "traditionell griechische Tavernen" nennen; in der einzigen Bar, die in der Vorsaison noch spätabends geöffnet hat, dröhnen griechische Poplieder aus dem Lautsprecher; die in den Gemischtwarenläden angebotenen Produkte sind auch auf Griechisch beschriftet. Die Promenade wird gerade neu gestaltet: Die frisch gepflanzten Kiefernbäume sollen den Touristen Schatten spenden.
Das Potenzial der Tourismusbranche lässt die Verantwortlichen in Albanien auf neue, nicht unbedeutende Einnahmequellen hoffen und interessierte ausländische Investoren frohlocken. Arbeitsplätze könnten geschaffen werden in dem Land, in dem etwa jeder Fünfte keinen Job hat und das Mindesteinkommen gerade einmal 170 Euro beträgt. Für die Investoren wiederum sind gerade die Lohn- und Nebenkosten attraktiv, die nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was in Westeuropa üblich ist.
Allerdings ist da noch die Kornkurrenz des Nachbarn: Griechenland zieht ein Vielfaches an Touristen an. Es habe eben viel mehr zu bieten, findet auch Nikos. Den Sommer verbringt er trotzdem im heimatlichen Himare.