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ORF kämpft mit hausgemachten Problemen: Mehr Mut ist jetzt gefragt

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

Die größte Programmreform in der Geschichte des ORF ist ein Flop. Und das nicht erst seit ORF-Chef Alexander Wrabetz am Mittwoch die Notbremse zog und das Kernstück der Reform "Mitten im Achten" ("MiA") zu Recht unsanft aus dem Programm kickte. Statt der erwarteten 400.000 Zuseher fanden sich zuletzt nur noch an die 100.000 Unentwegte, die sich das unfreiwillig komische Kunstprodukt antaten.


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"Mitten im Achten" ist - und das war nach den ersten Folgen klar - ein missratenes Experiment aus der TV-Retorte. Das Grundproblem ist: Eine Serie, die in der Josefstadt verwurzelt sein soll, kann man nicht einfach im Ausland einkaufen. Statt sich selbst mit ein paar guten, heimischen Autoren ein authentisches Konzept auszudenken, langte der ORF bei Endemol zu und lagerte sich niederländische Drehbücher im Dutzend ein. Diese wurden dann von einem teils deutschen Team und von schwachen Darstellern umgesetzt. Was dabei rauskommt, ist täglich auf ORF 1 zu bestaunen.

Dass es der ORF auch anders kann, hat er zigfach bewiesen. Man muss nicht bis Mundl, "Kottan" und "Kaisermühlenblues" zurückblicken - das bislang im Programm versteckte "Wir sind Kaiser" zeigt doch, dass es geht, wenn man will. Der ORF muss nur auf sich selbst vertrauen und eigenständige Inhalte generieren. Das wäre mit den kolportierten 6,5 Millionen Euro, die das Experiment "MiA" wohl gekostet haben wird, locker möglich gewesen. Alleine: Dafür braucht man Selbstvertrauen, das nach der Ära Lindner scheinbar nicht mehr da war. Man wollte daher auf Nummer sicher gehen und kaufte ein.

"Mitten im Achten" ist nicht die einzige Baustelle: Das zur Vorabendserie degradierte mittlerweile eingestellte "Julia" erwies sich als deplatziert, das Szenemagazin grenzt ans Jenseitige und statt dem fest versprochenen neuen "Club 2" wurden die Zuschauer mit dem "Extrazimmer" abgespeist, während die Talkshow "Im Zentrum" auch nicht ausreichend Publikum findet. Sogar die sonst sicheren Bringer im ORF, wie etwa die "Millionenshow" leiden plötzlich unter dem generellen Desinteresse der Zuschauer und bringen nicht mehr die Quoten, die der ORF dringend zum Halten seiner Werbeerlöse benötigt.

Fast scheint es so, als hätten die Zuschauer vor lauter neuen Sendungen den Eindruck, als wäre auf dem neuen ORF nichts mehr, dessen es sich lohnen würde umzuschalten. Auch wenn man sich den Quotensturz von durchschnittlich 41,7 Prozent im Mai 2006 auf 36,7 Prozent 2007 mit der Digitalisierung schönzureden versucht, ist klar: Diese Krise ist hausgemacht.

Sie ist das Resultat eines ambitionierten, aber mit viel zu wenig Vorbereitungszeit durchgezogenen Aufreißens mehrerer Baustellen. Fernsehen braucht aber Zeit, weil selbst brillante Ideen Entwicklung und Pflege brauchen. Es steht zu hoffen, dass der ORF dies bei der anstehenden Reform der Reform bedenkt.