Ungarisch-slowakisches Verhältnis erreicht Tiefpunkt. | Premiers sind um Annäherung bemüht. | Pressburg. Pál Csáky, Vorsitzender der Ungarnpartei SMK, sucht derzeit im slowakischen Nationalrat verzweifelt nach Mitstreitern, um beim Verfassungsgericht gegen die umstrittene Novellierung des "Gesetzes über die Staatssprache" klagen zu können. Ursprünglich wollte Csáky schon am 20. August Klage gegen die nun mit 1. September in Kraft getretenen neuen Vorschriften einreichen, durch die der Gebrauch der slowakischen Sprache in der Öffentlichkeit neu geregelt wird.
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Er hält das Gesetz für "diskriminierend und restriktiv" in Bezug auf die ungarische Minderheit. Die Klagschrift muss allerdings von 30 Abgeordneten unterstützt werden; und diese hat Csáky bisher nicht zusammenbekommen.
Slowakisch ist Pflicht
Das neue Sprachengesetz sieht unter anderem Geldstrafen von 100 bis zu 5000 Euro vor, falls offizielle Verlautbarungen nicht auch in slowakischer Sprache erfolgen. Straßenschilder, Speisekarten, Restaurantnamen nur in ungarischer Sprache sind ab jetzt nicht mehr erlaubt. Die Stimme zumindest eines Teils des Volkes hat sich am Dienstag mit Csákys Unterstützung lautstark gegen das Sprachengesetz erhoben. Zwischen 6000 und 8000 Menschen - allen voran Pál Csáky - protestierten im Fußballstadion im südslowakischen Dunajská Streda gegen die Novelle. Genau an diesem Ort war es 1. November zu schweren Ausschreitungen gekommen, die von ungarischen Hooligans ausgelöst worden sein sollen. Von diesem Zeitpunkt an hat sich das slowakisch-ungarische Verhältnis rapide verschlechtert.
Unter den Demonstranten befand sich auch eine Gruppe von rund 200 Menschen, die auf Plakaten eine Revision des Vertrags von Trianon forderten, durch den Ungarn als Verlierernation nach dem Ersten Weltkrieg rund zwei Drittel seines einstigen Gebiets aberkannt worden waren. Parallel zu den Protesten von Dunajská Streda blockierten Anhänger der ungarischen Rechtspartei Jobbik die Grenzen zur Slowakei.
Die Proteste von Dunajská Streda ließen in Pressburg die Wogen hochgehen. Die Oppositionsparteien warfen sich für die von der Regierung initiierte Gesetzesnovelle in die Bresche und beschuldigten Csáky der gewollten Provokation. Ján Slota, der wegen seiner häufigen anti-ungarischen Verbalattacken berüchtigte Vorsitzende der Slowakischen Nationalpartei, sah gar die Gefahr baldiger kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen der Slowakei und Ungarn. Regierungschef Robert Fico kommentierte die Äußerungen Slotas nicht. Die Ereignisse in Dunajská Streda werden in Pressburg überwiegend als Fortsetzung der jüngsten Attacken auf Repräsentanten und Institutionen der Slowakei in Budapest gedeutet.
Vor dem Gebäude des dortigen Slowakischen Kulturinstituts wurde vor kurzem ein Paket mit der Aufschrift "Achtung, Bombe" - das sich später als Attrappe erwies - gefunden. Die slowakische Botschaft steht unter Polizeischutz, seit vor dem Gebäude ein Molotowcocktail gezündet wurde. Der slowakische Botschafter Peter Weiss wurde außerdem vorige Woche in seinem Wagen von der Straße abgedrängt.
Treffen der Premiers
Zumindest auf höchster offizieller Ebene wird jedoch ein friedlicherer Ton angeschlagen. Robert Fico und sein ungarischer Amtskollege Gordon Bajnai haben für 10. September ein Treffen in Ungarn unweit der slowakisch-ungarischen Grenze vereinbart. Zu Einzelheiten der geplanten Begegnung halten sich die Regierungsämter bedeckt.
Bajnai selbst sagte, Ungarn habe ein ausdrückliches Interesse an der Beilegung der bilateralen Spannungen. Man müsse "das Gift beseitigen; wenn das geschafft ist, gibt es eine Fülle von Dingen und wichtige Angelegenheiten, die uns verpflichten und womit wir unsere Beziehungen aufbauen können".
Die Außenminister beider Länder, Miroslav Lajcák für die Slowakei und Péter Balázs für Ungarn, wiederum wollen einen kontinuierlichen Dialog zwischen der Slowakei und Ungarn in Gang bringen. Unabhängig von dem Treffen der Premiers bereiten sie derzeit einen slowakisch-ungarischen Gipfel als Auftakt dieses Dialogs vor.
Derartige bilaterale Ansätze zu einer Lösung sind offenbar auch ganz im Sinne wichtiger Repräsentanten in Brüssel. Die EU hatte sich schon vergangene Woche gegen eine Einmischung in die slowakisch-ungarischen Auseinandersetzungen ausgesprochen, um die es von Ungarn im Zusammenhang mit dem von Pressburg gegen den ungarischen Staatspräsidenten László Solyom verhängten Einreiseverbot ersucht worden war. Mit dem Einreiseverbot sollte Solyoms Teilnahme an der Enthüllung einer Statue des Heiligen Stephan in Komárno am 21. August unterbunden werden.
Am Mittwoch erklärte der Vorsitzende des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, dieses sei bereit, sich an "trilateralen Verhandlungen mit Ungarn und der Slowakei" über die Novelle der wild umstrittenen slowakischen Sprachgesetznovelle zu beteiligen.
Siehe auch:Von Politikern geschürter Zwist