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Das ergebnislose EU-Treffen in Bratislava scheiterte formell nur deshalb nicht, weil es nicht "offiziell" war.
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Die informelle EU-Konferenz in Bratislava "war insofern erfolglos, als es nicht gelungen ist, die Einwanderungspolitik Brüssels zu ändern; in der Union herrscht weiterhin dieselbe selbstzerstörerische und naive Einwanderungspolitik vor wie bisher". Immerhin hielt sich Ungarns Premier Viktor Orban an die Methodik der Konferenzteilnehmer, altbekannte Positionen zu wiederholen und den drohenden Zerfall der EU an die Wand zu malen.
Zuvor hatte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn eine Kapuzinerpredigt vom Stapel gelassen: "Typen wie Orban haben uns eingebrockt, dass die EU in der Welt dasteht wie eine Union, die sich anmaßt, nach außen Werte zu verteidigen, aber nach innen nicht mehr fähig ist, diese Werte auch aufrechtzuerhalten. Wer wie Ungarn Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden." Es folgte ein Shitstorm, wiewohl Nachhilfe in Völkerrecht klüger gewesen wäre: Die EU hat keine Verfahren, um die Einhaltung der EU-Grundwerte objektiv zu prüfen oder einen Staat vor die Tür zu setzen. Sie kann ihm bloß das Stimmrecht entziehen. Und selbst das fiele schwer, weil alle EU-Staaten zustimmen müssten.
Ungarn droht also kein Ungemach, denn seine Visegrad-Partner Polen, Tschechien und Slowakei lassen ihren Primgeiger nicht hängen. Also gibt Orban dem Quartett die Melodie vor: "Ungarn braucht keinen einzigen Migranten", "jeder Migrant bedeutet ein Sicherheitsrisiko" oder "durch Zuwanderung werden Muslime in absehbarer Zukunft in Europa in der Mehrheit sein". Tschechiens Präsident Milos Zeman modulierte das Leitmotiv: "Mit der Aufnahme von Migranten würden wir den Nährboden für barbarische Angriffe schaffen." Diese Zuwanderung sei "keine spontane Flucht, sondern eine organisierte Invasion". Der Islam sei nämlich eine "Kultur von Mördern und religiösem Hass". Die Slowakei handelte im Rekordjahr 2015 nach dieser Vorgabe und nahm gezählte acht Flüchtlinge auf, nach-
dem die EU eine Quotenregelung für die faire Verteilung der Flüchtlinge festgelegt hatte. Die Visegrad-Länder forderten "flexible Solidarität": Jeder EU-Staat solle selbst entscheiden, wie viele Flüchtlinge er aufnehmen wolle. Als Ausweg schlug die EU-Kommission noch 2015 vor: Wollen EU-Staaten die Quote nicht erfüllen, sollten sie Ausgleichszahlungen leisten. Zwei Tage vor dem Treffen in Bratislava verlangte die EU, jeder Quotenverweigerer solle 250.000 Euro Strafe pro abgewiesenen Flüchtling bezahlen.
Den aktuellen Zustand der EU ändern weder Jammern noch Mahnungen zu Solidarität, zumal Dankbarkeit keine politische Kategorie ist. Immerhin beziehen Polen (netto 9,5 Milliarden Euro), Tschechien (5,7 Milliarden), Ungarn (4,6 Milliarden) und die Slowakei (1,2 Milliarden) die höchsten EU-Subventionen, also Geld der Steuerzahler. Diese Solidarität lässt sich zwar nicht gegen verweigerte Solidarität gegenüber Kriegsflüchtlingen verrechnen. Aber das Verhalten in der Asylfrage drängt zur Gretchenfrage, wem Grundwerte und Solidarität in der EU noch was wert sind. Die "flexible Solidarität" ist jedenfalls ein Täuschungsmanöver: Es gibt sie ebenso wenig wie "flexible Wahrheit".