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Organspenden massiv von Pandemie betroffen

Von Petra Tempfer

Politik

Während der Infektionswellen mit dem Coronavirus gab es einen starken Rückgang bei den Organtransplantationen. Österreichweit haben Intensivstationen für einige Dutzend schwerst kranke Patienten wegen einer Spenderlunge angefragt.


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Organspender dürfen das Coronavirus nicht in sich tragen, weil es im Blut und in Körperflüssigkeiten vorhanden sein kann. Organempfänger müssen vor einer Transplantation ebenfalls negativ auf das Virus getestet worden sein. Und: Aufgrund der Medikamente zur Senkung der Immunabwehr, um das frisch transplantierte Organ nicht abzustoßen, sind Empfänger besonders anfällig für Infektionen - wie zum Beispiel mit dem Coronavirus. Ein Teufelskreis. Dieses Zusammenspiel im Zusammenhang mit Covid-19 wirkte sich laut der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) massiv auf die Anzahl der Organtransplantationen aus.

Am 11. März 2020 hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Ausbruchsgeschehen des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 als Pandemie eingestuft. Am 12. März des Vorjahres wurden die Nieren- und Pankreas-Transplantationsprogramme temporär in ganz Österreich eingestellt. Dies schien laut GÖG "aufgrund einer Risiko-Nutzen-Abwägung vertretbar, obwohl dadurch wertvolle Organe, die in dieser Zeit gemeldet wurden, nicht transplantiert werden konnten". Bei den anderen Transplantationen habe man auf Einzelfallbasis entschieden.

Im März und April, während der ersten Infektionswelle, sei die Anzahl der Transplantationen daher massiv eingebrochen, heißt es von der GÖG zur "Wiener Zeitung". Danach habe sich die Situation etwas beruhigt, um im Dezember erneut einen Tiefstand zu erreichen. Die Anzahl der Transplantationen verhielt sich somit genau gegenläufig zu jener der Neuinfektionen.

Maßnahmen auf EU-Ebene

Die genauen Daten des Vorjahres liegen laut GÖG zwar noch nicht vor, den vorläufigen Erhebungen zufolge dürfte die Gesamtzahl der Organspenden 2020 aber dennoch etwas über jener des Jahres davor liegen. Warum? Die Zahlen im Jänner und Februar, also noch vor der Pandemie, seien besonders hoch gewesen, so die GÖG. Zudem habe es regional und unterjährig extrem starke Schwankungen gegeben. "In manchen Bundesländern ist es zu deutlichen Einbrüchen gekommen, andere berichten über schwierige Konstellationen und einen gestiegenen Aufwand", heißt es von der GÖG.

Während es im Jänner und Februar durchschnittlich 18 Transplantationen pro Woche gab, waren es im März und April nur noch sieben. Im Mai und Juni stieg diese Zahl wieder auf 13 an. In anderen europäischen Ländern stellt sich die Situation noch dramatischer dar. In Ungarn, Kroatien und den Niederlanden etwa gab es auch bei der Gesamtzahl der Spenden des Jahres 2020 einen zum Teil massiven Einbruch.

Auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission Maßnahmen verfasst, die die Durchführung der Transplantationen unterstützen sollen. Darunter die Umsetzung von Technologien zur längeren Organerhaltung außerhalb des Körpers, wenn die Logistik komplexer ist, oder die Stärkung der Forschung zu übertragbaren Krankheiten in Hinblick auf Spende und Transplantation. "Wie sich Covid-19 langfristig auf Organspende und -transplantation auswirkt, muss durch laufendes Monitoring überprüft werden", so die GÖG dazu.

Schon ohne Covid-19-Pandemie sterben in Österreich etwa 50 Menschen pro Jahr, weil sie kein Organ rechtzeitig bekommen haben, sagt Stephan Eschertzhuber, Transplantationsreferent für Westösterreich und Südtirol vom Landeskrankenhaus Hall in Tirol. Jedes Jahr würden etwa 800 Transplantationen durchgeführt - etwas weniger, als Personen auf der Warteliste seien. Das Problem sei nämlich, dass nicht immer die benötigten Organe zur Verfügung stehen. Am häufigsten werden dem Transplantationsbericht zufolge Nieren transplantiert. Auf eine neue Niere wartet man durchschnittlich drei Jahre, auf ein neues Herz oder eine neue Lunge vier Monate. Zurzeit leben rund 9.500 Menschen mit einem transplantierten Organ in Österreich.

Keine generelle Altersgrenze

Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie haben Intensivstationen aus ganz Österreich für einige Dutzend schwerst erkrankte Patienten wegen einer Spenderlunge am Lungentransplantationszentrum der MedUni Wien/AKH Wien angefragt, ergänzt Konrad Hötzenecker, Leiter der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie des AKH Wien. Viele von ihnen überleben nur durch ein ECMO-Gerät: eine lungenunterstützende Maschine. Für eine Lungentransplantation kommen allerdings nicht alle in Frage. Denn die Patienten müssen vor der Covid-19-Infektion in einem guten Allgemeinzustand gewesen sein und dürfen keine relevanten Begleiterkrankungen haben. Eine Altersgrenze gebe es generell nicht - "allerdings treffen die genannten Kriterien meist nur für jüngere Patienten unter 65 Jahren zu", so Hötzenecker. Falls man vier bis sechs Wochen nach der Erkrankung davon ausgehen könne, dass sich die Lunge nicht mehr erholt, komme man potenziell für eine Transplantation in Frage.

Operationen meist bei Nacht

Gerade die Lunge ist stark vom Coronavirus betroffen: Es ist vor allem in den Zellen der oberen Atemwege zu finden. "Darum ist es für die Lunge besonders wichtig, dass ein Spenderorgan nicht befallen ist", sagt Hötzenecker. In Wien habe man bisher fünf Covid-19-Patienten, die an einem schweren, irreversiblen Lungenschaden gelitten haben, lungentransplantiert. Die Operationen seien komplex und fänden aus logistischen Gründen meist bei Nacht statt. Sie dauern bis zu zwölf Stunden lang.

Das Wiener Lungentransplantationszentrum war weltweit das erste, an dem im Mai 2020 eine 45-Jährige mit einem Post-Covid-19-Lungenversagen erfolgreich transplantiert worden ist. "Seither wurden international etwa 30 Patienten mit dieser Indikation lungentransplantiert", so Hötzenecker.

Die Organe, die transplantiert werden, entstammen zumeist hirntoten Verstorbenen. Nur ein sehr geringer Anteil, vor allem Nieren, werden auch Lebenden entnommen. In Österreich wird ohne Zustimmung des Verstorbenen explantiert - anders als etwa in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden oder der Schweiz, wo es eine Zustimmungsregelung gibt.

Will man nicht, dass seine Organe nach dem Tod entnommen werden können, kann man dem auch in Österreich widersprechen: durch einen im Ausweis mitgeführten Zettel, einen Eintrag in der Patientenverfügung oder im Widerspruchsregister. Dieses wird vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen gemeinsam mit der Vergiftungsinformationszentrale geführt. Und auch, wenn Angehörige oder Freunde sagen, der Verstorbene wollte keine Organentnahme, habe dieser mündliche Widerspruch die selbe Rechtsgültigkeit, sagt Eschertzhuber.

Mitglied bei Eurotransplant

Im Widerspruchsregister seien nur 0,5 Prozent der Bevölkerung eingetragen. In der Praxis gebe es in rund 20 Prozent der Fälle, in denen eine Organspende im Raum steht, irgendeine Form des Widerspruchs. Aber: Die Wahrscheinlichkeit, dass man ein Organ benötigt, sei vier Mal höher als jene, dass man Spender wird.

Österreich ist Mitglied bei Eurotransplant, einer gemeinnützigen Vereinigung mit Sitz in den Niederlanden, die die Empfänger vermittelt. "Die Länder helfen einander nur im Notfall grenzüberschreitend aus", sagt Eschertzhuber. Hält die Pandemie weiter an, könnten sich die Notfälle allerdings mehren - und sich aufgrund der europaweiten Betroffenheit der Einbruch der Transplantationen verstärken.