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Organspender bis auf Widerruf

Von Martin Meyrath

Gastkommentare
Die Initiative "Rettes das Wasser"(links) kämpft gegen die Privatisierung.Der Autor, Martin Meyrath, ist Politologe in Wien und arbeitet zu den Bereichen Politische Ökonomie, Cultural Studies und Politische Theorie.

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In den Niederlanden sollen sich gemäß einem neuen Gesetz alle Bürger entscheiden, ob sie nach dem Ableben ihre Organe spenden wollen. Pikantes Detail: Wer nicht widerspricht, stimmt zu. Dass eine solche "Widerspruchslösung" in Österreich schon seit 1982 gilt, ist wenig bekannt.

Potenzielle Organspender sind somit alle, bei denen ein irreversibler Hirntod festgestellt wurde, also der Ausfall der Funktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Stammhirns. Die Hirntod-Diagnostik ist wichtig, weil die moderne Medizin die Herz- und Kreislauf-Funktion durch Beatmung und Medikamente aufrechterhalten kann, sodass ein Körper theoretisch ewig am Leben gehalten werden kann. Gesetzlich gibt es keine Altersgrenze, medizinisch sinnvoll sind Transplantationen freilich nur bei Organen in gutem Zustand.

Wer Wert auf körperliche Unversehrtheit nach dem Tod legt, kann sich und seine minderjährigen Kinder jederzeit im Widerspruchsregister des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen (ÖBIG) eintragen lassen. Bisher haben das knapp 37.000 Personen getan. Dies ist die sicherste Lösung, weil die Spitäler verpflichtet sind, jeden potenziellen Spender vor der Organentnahme abzufragen. Gültig sind aber auch informelle unmissverständliche Willensäußerung, etwa mündlich bei Bezeugung durch einen Angehörigen, ein Eintrag in die Krankengeschichte oder das Mitführen eines Zettels in der Geldbörse. Letzteres wird vor allem bei nur vorübergehendem Aufenthalt in Österreich geraten.

Dass es trotz der schlechten Informationslage keine Skandale gibt, etwa weil Hinterbliebene die Totenruhe gestört sehen, ist dem behutsamen Vorgehen der behandelnden Ärzte geschuldet. Kommt ein Patient als Spender in Frage, werden in der Regel die Angehörigen konsultiert. Sprechen diese sich gegen eine Entnahme aus, wird davon Abstand genommen.

Im Jahr 2015 wurden in Österreich 787 Organtransplantationen durchgeführt. Nur 67 davon waren Lebendspenden, der überwiegende Teil kommt somit von Toten. Den durchgeführten Transplantationen stehen 829 Patienten auf der Warteliste gegenüber. Diesen bleibt nur zu hoffen, dass rechtzeitig ein für sie immunologisch passendes Organ gefunden wird. Dabei hilft Eurotransplant, eine nicht gewinnorientierte Stiftung, der Österreich gemeinsam mit Belgien, Deutschland, Kroatien, den Niederlanden, Luxemburg und Slowenien angehört.

Eurotransplant koordiniert die Vergabe der verfügbaren Organe auf passende Empfänger nach den Kriterien Dringlichkeit, Erfolgsaussichten, Wartedauer und geografischen Verteilung. Das ist vor allem für Bürger kleiner Staaten vorteilhaft, weil die Chance, rechtzeitig ein passendes Organ zu bekommen, durch die größere Menge potenzieller Spender und Empfänger steigt.

Sich ein dringend benötigtes Organ einfach zu kaufen, ist in Österreich nicht legal möglich, denn es gilt ein Gewinnerzielungsverbot. Auch Lebendspenden müssen altruistisch motiviert sein, das heißt, es darf dafür keine finanzielle Kompensation geben. Diese Regelung soll dem Schutz sowohl der Spender als auch der Empfänger dienen und die Entstehung eines kommerziellen Organmarktes verhindern.

Martin Meyrath ist Politologe in Wien. Er hat während des Studiums für eine Fachzeitschrift über Organtransplantation gearbeitet.