Besonders weise oder besonders feig: Zwischen diesen beiden Extremen pendelt die Einschätzung der Haltung, die Bundeskanzler Werner Faymann in der leidigen Ortstafel-Frage einnimmt.
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Der Kanzler will erst dann einen neuen Vorstoß für eine Lösung machen, wenn auch in Kärnten ein breiter Konsens in dieser Frage besteht. Den gibt es nur leider nicht, weil die Freiheitlichen die Verhinderung zweisprachiger Ortstafeln für die slowenische Minderheit zur ideologischen Fahnenfrage erhoben haben. Ergo bleibt der Streit, bei dem es in der Sache um eine Lappalie geht, weiter ungelöst.
Faymann weiß, dass er sich allenfalls - im übertragenen Sinn - eine blutige Nase in Kärnten holen kann, wenn er versucht, in dieser Frage den starken Mann zu markieren. Bei den Ortstafeln ist genau das schon Bruno Kreisky in den 70er Jahren passiert - und damals verfügte die SPÖ noch über eine absolute Mehrheit in Bund wie Land.
Den Freiheitlichen, egal welche Farbe diese nun gerade tragen, käme eine solche Auseinandersetzung mit dem Bund, ja sogar mit dem Kanzler persönlich, übrigens gerade recht: Sie könnten Ablenkung von Themen wie Beinahe-Landesbankrott, Hypo-Pleite und heißen Korruptionsgerüchten derzeit dringend gebrauchen. Zumal wenn sich das Thema blendend dazu eignet, sich selbst als Kämpfer für die Kärntner Sache gegen den Wiener Wasserkopf zu inszenieren.
Faymanns Zurückhaltung ist daher taktisch durchaus verständlich, wer holt sich schon freiwillig eine blutige Nase. Der Rechtsstaat müsste sich einmal mehr als impotent verhöhnen lassen, immerhin liegt seit 2001 ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs in dieser Sache vor, das bis heute seiner Umsetzung harrt.
Es mag auch sein, dass sich der Kanzler seiner eigenen Landespartei in dieser Frage nicht ganz so sicher ist. Immerhin scheiterte 2006 ein Kompromiss knapp vor der Ziellinie, weil die SPÖ in letzter Sekunde ihre Zustimmung zurückzog. Vielleicht auch, weil man dem ungeliebten damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Schwarz-Orange einen solchen historischen Erfolg nicht gönnen wollte.
Jedenfalls stammt aus dieser Zeit die heutige Linie der SPÖ in der Ortstafel-Frage, nach der eine Lösung nur funktioniert, wenn ihr auch alle Betroffenen zustimmen. "Nicht drüberfahren", heißt das in der Diktion der heutigen Faymann-SPÖ.
Das ist zweifellos ein hehres Prinzip. In der Politik ist es nur gefährlich, wenn die zum Regieren und Gestalten Beauftragten in allen heiklen Fragen auf den größtmöglichen Konsens pochen. Auch im Scheitern kann eine politische Botschaft liegen, wenn man für eine als richtig empfundene Sache kämpft. Schlachten nur zu schlagen, wenn man weiß, dass man sie auch gewinnt, mag aus vielen Gründen taktisch klug sein. Politischen Romantikern bricht es dennoch das Herz.