Zum Hauptinhalt springen

Ortstafelsturm: Das Gespenst des Jahres 1972

Von Martyna Czarnowska

Politik

Als vor 30 Jahren deutsch-nationale Kräfte in Südkärnten zum "Ortstafelsturm" bliesen, warnten auch Landespolitiker vor einer Beschädigung des Ansehens Österreichs. Die Vandalenakte zogen sich trotzdem über Wochen. Dass sich die Ereignisse von 1972 wiederholen, können einige Vertreter der Kärntner Slowenen nicht mehr ausschließen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Die Zwischenfälle im Ortstafelkrieg in Südkärnten reißen nicht ab. Wohl sind die zweisprachigen Ortstafeln restlos entfernt (…) - nun kühlen die "Nationalkärntner" auf andere Art und Weise ihr Mütchen. Sie veranstalten in Autokolonnen Dauerhupkonzerte, rufen in Sprechchören "Kärnten frei und ungeteilt", oder "nie mehr zweisprachige Tafeln" usw., werfen Knallkörper unter Absingen von Kärntner Liedern." ("Wiener Zeitung", vom 12. Oktober 1972)

Eine der damals abmontierten Tafeln brachte Rudolf Vouk gestern zu einer Pressekonferenz mit. Als Siebenjähriger habe er sie während des Ortstafelsturms mit seinem Vater aufgeklaubt. Jahrzehnte später ging er mit einer Beschwerde vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) - und lieferte einen Anlass, die 25-Prozent-Klausel des Volksgruppengesetzes aufzuheben.

Vom Kärntner Landtag in die Wirtshäuser

Die heftigen Reaktionen des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider samt Landes-FP - denen SPÖ und ÖVP kaum etwas entgegenzusetzen hatten - ließen Vouk zu der Überzeugung gelangen, dass sich Ähnliches wie 1972 anbahnen könnte. "Wir erleben in Kärnten einen geistigen Ortstafelsturm", meint er. Denn nicht zuletzt mit durchgestrichenen slowenischen Bezeichnungen wirbt die FPÖ für eine Volksbefragung "Nein zu weiteren zweisprachigen Ortstafeln".

Einen "von oben gewollten Konflikt" ortet auch Marjan Sturm, Obmann des Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten. Das Wettern gegen den VfGH und die slowenische Volksgruppe könnte sich nämlich früher oder später vom Landtag in die Wirtshäuser verlagern. Das fragile Gleichgewicht zwischen der deutsch- und der zweisprachigen Bevölkerung wäre damit leicht gefährdet.

Ein "Miteinander" im Sinne gegenseitiger Neugier sei zwar kaum spürbar, befindet Sturm im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Doch übten sich die beiden Gruppen in den letzten Jahren immerhin in einem "friedlichen Nebeneinander" - solange keine Forderungen gestellt wurden.

Forderungen auf der Basis des Staatsvertrags

Diese sind eigentlich schon seit 1955 klar. Sie basieren auf dem Österreichischen Staatsvertrag. Demnach sind in Bezirken "mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung (…) die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch" zu verfassen.

Als es im Herbst 1972 zur Umsetzung des kurz davor beschlossenen "Ortstafelgesetzes" kam, mussten die Kärntner SlowenInnen bald mitansehen, wie ihr Recht mit Füßen getreten wurde: Nur Stunden nach Aufstellung der ersten Tafeln wurden diese beschmiert, herausgerissen und demoliert. Anonyme Bombendrohungen richteten sich gegen das Amt der Kärntner Landesregierung und das slowenische Gymnasium in Klagenfurt. Eier und Paradeiser prasselten auf die um Vermittlung bemühten Politiker: Bundeskanzler Bruno Kreisky und Landeshauptmann Hans Sima (SPÖ). Letzterer wurde ein Jahr später - nach einem anlässlich des Ortstafelstreits einberufenen Parteitag - von Leopold Wagner abgelöst.

Enotna Lista: "Situation nicht weiter anheizen"

Marjan Sturm studierte zu der Zeit in Wien. Aus Kärnten erhielt er immer wieder verzweifelte Anrufe von seiner Mutter. "Um Gottes willen, bleib in Wien, die bringen dich sonst um", hörte er. Schon damals setzte er sich für die Rechte der slowenischen Volksgruppe ein. Wohl nicht zu unrecht nahm seine Mutter an, dass die Drohungen dem Sohn galten: Autos umkreisten den Bauernhof, die LenkerInnen hupten und brüllten.

Dass sich Derartiges nicht wiederholt, hoffen alle Beteiligten. Daher appellierte auch Andrej Wakounig, Obmann der Einheitsliste/Enotna Lista, die "Situation nicht weiter anzuheizen", nachdem vor wenigen Tagen bei einem Ball in Globasnitz elf Autos von Unbekannten beschädigt wurden.

Gute Stimmung - aber auch Ressentiments

Der Kärntner Landeshauptmann habe bereits einiges dazu getan, die Ressentiments zu schüren, ist Hubert Mikel vom Österreichischen Volksgruppenzentrum überzeugt. Die bisher gute Stimmung zwischen den Bevölkerungsgruppen könne sich nun zum Schlechteren wenden. Ein Tauschhandel - bestehende Minderheitenrechte gegen Nicht-Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses - sei jedenfalls nicht möglich. Denn die Verfassung lasse sich nicht eintauschen.