Obwohl Ostern erst vor der Tür steht, gibt es sie schon seit Wochen als gefärbte Kaufsignale zur Einstimmung in den Regalen der Handelsketten. Franz Küberl, Präsident des Kirchen-Aushängeschildes Caritas, hat angesichts des verfrühten Zeitpunktes Ostereier ungläubig und irritiert geprüft.
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Ob es zuerst die Henne oder das Ei gab, bewegt Philosophen seit jeher. Wenn schon nicht für Skeptiker, so findet sich doch für Zyniker in den Regalen heimischer Handelsketten eine pragmatische und wegweisende Antwort: Denn dort lagern schon lange vor Ostern bunte Eier! Es gibt also Dinge - wie Ostereier -, bevor es noch ein dazugehöriges Ereignis gibt. Ist das aber so, könnte das Osterei auch schon genauso gut vor dem Urknall entstanden sein! Das lässt sogar die Hypothese zu: Der Urknall selbst ist vielleicht gar Resultat eines universellen Eier-Peckens.
Gibt es also Ostereier vor dem Urknall oder, einfacher gedacht, vor Ostern, wäre es nicht unschlüssig, eine vorherige Existenz von Hennen gänzlich in Abrede stellen. Unbestreitbares Faktum ist jedenfalls: Bevor man als normal sterblicher Konsument die Osterhennen auf Prospekten, in Schaufenstern oder in Osternestern zu Gesicht bekommt, gibt es schon deren Eier. Zumindest so ist die Sache wohl klar, oder?
Meinen Sie jetzt nicht, das ginge an der eigentlichen Kern-Ei-Frage vorbei! Oder gibt es vielleicht doch Hennen, die ausreichend früh das ihre tun? Immerhin bleiben diese dann bei ihrem Treiben nicht ganz so anonym wie der Osterhase selbst. Von dem hat nämlich bekanntlich niemand auf der Welt eine Adresse. Der Wohnsitz der Freilandhühner hingegen, deren Produkte schon im Februar gefärbt angeboten und die in diesem Test geprüft wurden, lässt sich immerhin über die Packungsangaben herausfinden.
Bekannt sollte auch das Spendenkonto der Caritas sein, für die im Zuge dieser Eier-Prüfung unverhohlene Schleichwerbung betrieben werden soll: PSK 7700004 (Bankleitzahl 60000). Franz Küberl ist Präsident dieses Kraftwerks christlicher Nächstenliebe. Er steht rund 10.000 hauptberuflichen und 30.000 ehrenamtlichen Helfern der Menschlichkeit vor. Diese kümmern sich um Sterbende, Obdachlose, Flüchtlinge, Hungrige und Arme - sowohl in der unmittelbaren Nachbarschaft als auch im hintersten Indien. 572 Hilfsprojekte weltweit werden von der Caritas betreut. Bei "Nachbar in Not" oder "Licht ins Dunkel" ist man selbstverständlich auch führend dabei.
Franz Küberl trat 1995, Helmut Schüller nachfolgend, in die Fußstapfen des legendären Caritas-Prälaten Leopold Ungar. Der nunmehr 54-jährige Grazer ist der erste Laie an der Spitze der katholischen Kirchenorganisation. Als Vater von zwei inzwischen erwachsenen Söhnen ist für ihn Familie und Beziehung zu seiner Frau nichts Kirchentheoretisches. Die Weihen für die Caritas-Führung empfing er zunächst durch Ernennung des örtlichen Bischofs zum Direktor seiner Diözese. Später folgte die Wahl an die Österreich-Spitze gemeinsam durch alle Caritas-Organisationen.
Der Praktiker Küberl ist kein Bequemer. "Ich fühle mich nicht als Fantast, denn ich stehe mit beiden Beinen am Boden der Realität." Diese ist für ihn und seine Mitstreiter oft trist genug. Es geht bei den Caritas-Schützlingen "immer um schwierige und berührende Lebenssituationen. Unsere Hauptaufgabe ist die Hilfe von Angesicht zu Angesicht." Dass sich Küberl dabei auch öffentlich kein Blatt vor den Mund nimmt, schafft nicht nur Freunde: "Es wirkt halt für viele irritierend, wenn wir versuchen, Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu holen. Aber wenn man jemandem zur Seite stehen will, muss man auch öffentlich davon sprechen und erzählen."
Küberls Motto dabei: "Reibung ist gut, das erzeugt Energie." Sein Credo: "Die Caritas ist Währungshüterin der besonderen Art. Wir müssen für den hohen Kurswert der Nächstenliebe sorgen." Daneben gibt es aber auch noch Profaneres in seinem Leben: Küberl ist ein leidenschaftlicher Tarockierer und erholt sich am liebsten beim Laufen, Bergsteigen und Lesen.
Die Caritas-Arbeit verlangt von ihm und seinen Mitstreitern oft einen guten Magen. Also schien uns der Präsident für einen vorgezogenen Ostereiertest geradezu prädestiniert. Er isst zwar selbst sehr gerne Eier, dass sie aber in den Regalen schon gleichzeitig mit den Faschingskrapfen angeboten werden, verdirbt dem unkonventionellen Kirchenmann einigermaßen den Appetit: "Feste leben davon, dass sie ein Konzentrat sind, an dem zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas Besonderes bewusst gefeiert wird. Wenn es Zutaten dafür schon vorher gibt, macht man etwas kaputt."
So war es in Küberls Kindheit am Land noch etwas Besonderes, ein gefärbtes Osterei geschenkt zu bekommen. Damit ging man dann zur Speisen- oder Fleischweihe. Das ursprünglich heidnische Fruchtbarkeitssymbol war schon früh in christliches Milieu integriert worden. Für Küberl symbolisiert es in der Zeit des Auferstehungsfestes im Frühling erwachendes Leben.
Bewertungskriterien. Fünf Kriterien definierte der Ei-Liebhaber Küberl bei seiner Ostereier-Prüfung aus handelsüblichen Behältnissen (mit vier bis sechs Stück pro Packung) als subjektiv wichtig und benotete diese mit herkömmlichen Schulnoten:
Färbung: Schön, glänzend und möglichst in verschiedenen Farben.
Größe und Dicke: Mit Hilfe eines Maßbandes wurden die ovalen Nahrungsmittel genau vermessen. Erst ab 6 cm Größe gab es in dieser Kategorie ein "Sehr gut".
Schälen: Die Schale sollte einen undurchlässigen Schutz für Eierfarbe bilden und beim Ablösen "nicht picken bleiben"
Konsistenz: "Fest, kernig, kein mehliger Dotter" waren hier die Qualitätskriterien.
Geschmack und Geruch: "Keinesfalls schal, nicht ins Süßliche und neutraler Geschmack des Eiweißes" - so schmeckt Küberls Ideal-Ei. Riechen soll es "nach Natur"
Angesichts der Fülle des Ostereierangebots wurden zum Test nur Produkte aus der Kategorie "Freilandeier" ausgesucht. Zusammenfassung. "Patzerte", zerfallende Eier, "wass´rige" Dotter, "pickerte" Schalen und manchmal durchgedrungene Farbe machten die Eierverkostung für einen Eierfreak nicht gerade zum Vergnügen. "Einen zerfallenden Dotter kann man doch nicht servieren" ärgerte sich Küberl wiederholt. Auch bei der ovalen Größe zeigten sich deutliche Qualitätsunterschiede. Alles in allem war Küberl schließlich "überrascht, wie unterschiedlich Eier sein können." Vor allem ein Kern-Problem hat der Caritas-Mann herausgefunden: "Abschrecken scheint ein industrielles Problem zu sein." Auch aus diesem Grund setzt er lieber "auf Eier, die zu Hause gekocht werden" und will weiter "lieber dem Bauernmarkt den Vorzug geben".
Die bei der sorgsamen Prüfung unverzehrt gebliebenen Eier musste Küberl nach unseren geltenden Test-Spielregeln dennoch alle mit sich nehmen. Aber sein nachfolgender Termin bei der Bundesstudentenvertretung machte das ganze Unternehmen letztlich doch wieder zum guten christlichen Werk: Bei den Studenten freute man sich über Küberl als vorgezogenen Osterhasen mit dem mitgebrachten Geschenk außerordentlich - und fand den Zeitpunkt der Übergabe angesichts ständigen studentischen Hungers nahezu ideal.
Einzelergebnis
1. Platz: Gesamtnote 1,8
Ja! Natürlich Ostereier
4 Stück, Euro 1,99
Färbung 2, Größe 1, Schälen 4,
Konsistenz 1, Geschmack 1
2. Platz: ex aequo Gesamtnote 2,4
Tonis Freiland Ostereier
6 Stück, Euro 2,79
Färbung 1, Größe 3, Schälen 4,
Konsistenz 3, Geschmack 2
Spar bunt gekochte Eier
6 Stück, Euro 2,49
Färbung 1, Größe 3, Schälen 1,
Konsistenz 4, Geschmack 3
4. Platz: Gesamtnote 3,2
Österr. Ostereier/Merkur/Fa. Janker
6 Stück, Euro 2,49
Färbung 1, Größe 1, Schälen 5,
Konsistenz 5, Geschmack 4
5. Platz: Gesamtnote 3,4
Regenbogeneier
6 Stück, Euro 2,49
Färbung 1, Größe 2, Schälen 5,
Konsistenz 5, Geschmack 4