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Österreich abwracken?

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein "glühender Österreicher" zu sein, schickt sich nicht mehr - "glühender Europäer" hingegen sehr. Logisch ist das nicht.


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Während die Republik Österreich ihr 100-jähriges Bestehen feiert, wird sie in Brüssel abgewrackt, symbolisch jedenfalls. Denn diesen Samstag um 16 Uhr werden der Schriftsteller Robert Menasse und die Politologin Ulrike Guerot in der EU-Hauptstadt die "Europäische Republik" ausrufen und damit den Nationalstaat für obsolet erklären. "An die Stelle der Souveränität der Staaten tritt hiermit die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger," heißt es im dazugehörigen Manifest, denn "das Europa der Nationalstaaten ist gescheitert"; auch in Wien und anderen EU-Städten wird es 120 ähnliche Auftritte geben.

Nun kann man es vor allem heiter finden, wenn ausgerechnet ein Autor, der sich nicht nur vom Glücksspielkonzern Novomatic alimentieren ließ, sondern im Laufe der Jahre auch vom österreichischen Staat erhebliche Subventionen abgecasht hat, nun vehement dessen Eliminierung fordert. Doch hinter des Autors Brüsseler Posse steht mehr als die höchst erfolg- und ertragreiche Bewirtschaftung der Marktlücke "Literarischer EU-Agitprop". Denn die Sehnsucht nach den "Vereinigten Staaten von Europa" teilt zwar nicht eine Mehrheit der Bevölkerung, wohl aber ein nicht irrelevanter Teil der europäischen Eliten mehr oder weniger offen. Sie ist ja letztlich auch in den EU-Gründungsverträgen als "ever closer union" festgeschrieben.

Nun gibt es jede Menge guter Gründe, die für so eine "ever closer union" sprechen. Es sind freilich ausschließlich pragmatische, von der Vernunft getragene Gründe. Was sich hingegen überhaupt nicht erschließt, ist die gleichsam moralisch-ethische Überlegenheit einer derartigen "Europäischen Republik" gegenüber der deutschen, österreichischen oder französischen Republik, wie sie Menasse & Co. jedenfalls implizit unterstellen. Denn in ihrer Erzählung steht den dumpfen, engstirnigen und letztlich sogar gefährlichem europäischen Nationalstaaten der künftige europäische Staat gegenüber, gleichsam eine Ausgeburt an Erleuchtung, Aufklärung und Friedfertigkeit.

Warum das so sein soll, hat uns leider noch niemand schlüssig erklären können. Zu erwarten ist vielmehr, dass ein europäischer Staat mit genau den gleichen Macken und Vorzügen ausgestattet wäre wie seine heutigen Vorgänger, nur halt in XXL. Letztlich kann man die Formierung der EU ja durchaus als Wiederholung jenes historischen Prozesses begreifen, der zwischen dem Westfälischen Frieden und dem 20. Jahrhundert zur Festigung des Nationalstaates geführt hat. Unterschiedlich dabei sind lediglich die Dimensionen, nicht aber die ethische Qualität.

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann bringt das in seinem Buch "Lob der Grenze" auf den Punkt: "Warum es aus mittlerweile einsehbaren Gründen lächerlich ist, sich als glühenden Deutschen oder glühenden Österreicher zu bezeichnen, der glühende Europäer sich aber des Beifalls sicher sein kann, bleibt schleierhaft." Jean-Claude Juncker, als EU-Kommissionspräsident quasi der institutionalisierte Antagonist zum Nationalstaat, hat übrigens jüngst eine Rede in Wien mit von hiesigen Politikern selten zu vernehmenden Worten beendet: "Es lebe die Republik Österreich." Dem ist an diesem historischen Wochenende nichts hinzuzufügen.