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Österreich als ehrlicher Makler für ein einiges, starkes Europa

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Den EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr werden drei Themenblöcke dominieren: Brexit, EU-Budget sowie Schutz und Sicherheit für die EU-Bürger.


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Österreichs EU-Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte fällt in eine kritische Periode des europäischen Einigungswerks, die durch eine brisante Kombination aus inneren Spannungen und einem labilen und risikoreichen globalen Umfeld gekennzeichnet ist. Die Sprengkraft dieser Krise wird augenblicklich nur oberflächlich durch eine kräftige Konjunkturerholung übertüncht.

Beispiele für externe Risiken sind die kaum noch berechenbaren USA, die immer stärkere Umarmung durch die neue Supermacht China, Unklarheit über die weitere Entwicklung in Nahost und die Rollen des Iran, der Türkei und Russlands. Die inneren Probleme der EU betreffen vor allem die Frontstellung der Visegrad-Staaten gegenüber Brüssel, die Konfliktlinie zwischen dem wirtschaftlich und teilweise auch politisch labilen "Club Méditerranée" und den erfolgreichen nördlichen Mitgliedstaaten sowie grundsätzliche Divergenzen in der Asyl- und Migrationspolitik.

Österreichs EU-Vorsitz wird durch drei Themenblöcke dominiert: die Brexit-Gespräche, die ersten Verhandlungen über den im Mai von der EU-Kommission vorzulegenden Budgetrahmen für 2021 bis 2027 sowie ein Themenbündel, das sich unter dem französischen Schlagwort "L’Europe qui protège" zusammenfassen lässt, also ein Europa, das den Bürgern Schutz und Sicherheit vor inneren und äußeren Krisen und Herausforderungen bieten soll.

Last but not least könnte während der Präsidentschaft Österreichs die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron in seiner Rede an der Sorbonne gestartete Diskussion um eine Reform der Währungsunion "aufkochen".

Natürlich hat Österreich bereits vor der EU-Präsidentschaft Schwerpunkte, Positionen und Verhandlungstaktik fixiert. Was der Staatsbürger allerdings nur schwer erkennen kann, ist eine Grundposition, die sich durch alle genannten Themen zieht. Das ist schade, denn gerade in der sechsmonatigen Vorsitzperiode können auch kleinere Länder einen weit über ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht hinausgehenden Einfluss auf EU-Entwicklungen nehmen, vorausgesetzt, sie werden als ehrliche Makler zwischen den Interessenblöcken wahrgenommen.

Österreich sollte seine Präsidentschaft nützen, die Weichen für eine "EU neu" zu stellen, die als starker und anerkannter globaler Player agieren kann. Dazu bedarf es innere Einigkeit sowie politische, wirtschaftliche und militärische Stärke nach außen. Es gilt, die Visegrad-Länder wieder heimzuholen und auf krause Ideen, wie die strafweise Kürzung von Kohäsionsfondsmitteln, zu verzichten. Es gilt weiters, die wirtschaftlichen Aufholchancen der südlichen Euroländer und damit ihre innenpolitische Stabilität im Rahmen einer Reform der Eurozone nachhaltig zu verbessern.

Eine starke EU braucht auch eine dauerhafte, enge Anbindung Großbritanniens durch eine großzügige Verhandlungslösung. In diesem Sinne steht Österreich auch sein Einsatz für eine EU-Erweiterung durch Westbalkanländer gut an. Trotz der gemischten Erfahrungen mit der vergangenen Erweiterungsrunde gibt es keine Alternative, will man diese Region "vor der Haustüre" nicht destabilisieren und den Interessen Dritter überlassen.