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Österreich an die Seidenstraße

Von Walter Ruck

Gastkommentare
Walter Ruck ist Präsident der Wirtschaftskammer Wien und Bauunternehmer.

Für die Länder entlang der neuen von China vorangetriebenen Handels- und Verkehrswege ergeben sich enorme wirtschaftliche Chancen.


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Weltverändernde Projekte entstehen dann, wenn wir große Visionen realisieren und ausgetretene Trampelpfade verlassen. China hat eine große Vision: die alten Trampelpfade der Seidenstraße zu reaktivieren. So soll ein transkontinental-eurasischer Handelsraum mit leistungsstarken Verkehrsrouten zwischen Wladiwostok und Lissabon entstehen.

Die ersten Bauvorhaben sind bereits auf Schiene. Zwei Landwege und ein Seeweg sind als Haupt-Handelsrouten zwischen Asien und Europa geplant. Für die Länder entlang dieser Verkehrswege ergeben sich enorme wirtschaftliche Chancen. Österreich liegt abseits der geplanten Seidenstraße. Das kann aber noch geändert werden: wenn die Breitspur-Eisenbahn vom slowakischen Kosice bis in den Twin-City-Raum Wien-Bratislava verlängert wird. Gelingt uns das, dann entsteht hier einer der größten Logistikhubs Europas mit tausenden neuen Jobs und vielen Milliarden Euro Wertschöpfung. Es ist positiv, dass die neue Bundesregierung das Thema in ihr Programm geschrieben hat. Papier aber ist geduldig. Es braucht jetzt echte Bewegung und ein Engagement auf diplomatischer Ebene. Wir können es uns nicht leisten, diese Jahrhundertchance verstreichen zu lassen.

Die Wirtschaftskammer Wien hat in puncto Seidenstraße Themenführerschaft übernommen. Im Herbst 2017 waren wir gemeinsam mit den ÖBB in China, um Österreich wieder zurück ins Rennen um eine Seidenstraßenanbindung zu bringen. Bereits im Frühsommer werden wir eine weitere Wirtschaftsmission in die Region unternehmen. Darüber hinaus unterstützen wir gerade die größte chinesische Bank dabei, ihr CEE- und Nordics-Headquarter in Wien aufzuschlagen. Die Industrial and Commercial Bank of China ist maßgeblich an der Finanzierung der neuen Seidenstraße beteiligt. Und der chinesische Botschafter in Österreich, Li Xiaosi, warb unlängst bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Wien offensiv für eine direkte Beteiligung Österreichs am Seidenstraßenprojekt. Das sind sehr gute Vorzeichen.

Dennoch liegt viel Arbeit vor uns. Der Osten Österreichs leidet seit Jahren unter einer Infrastruktur-Hungerkur. Viele hochrangige Verkehrs- und Infrastrukturprojekte stecken in Planungs-, Prüf- und Genehmigungsverfahren fest. Ein mitteleuropäischer Logistikhub mit Anbindung an die Seidenstraße ist nur dann sinnvoll, wenn etwa Lobautunnel, Marchfeld-Schnellstraße und dritte Flughafenpiste gebaut sowie Wiener Hafen, Ostautobahn und Schienennetz erweitert werden. Die Genehmigungsverfahren dauern aber viel zu lange, den Projektwerbern steht eine Phalanx von NGOs und Bürgerinitiativen gegenüber. Wir fordern daher zur Unterstützung von wichtigen Infrastrukturprojekten einen Standortanwalt. Als gesetzlich verankerte Institution bekäme er Parteienstellung und verträte die Interessen des Wirtschaftsstandortes.

Eines ist klar: Es stehen wichtige Infrastruktur-Entscheidungen zur Zukunft des Wirtschaftsstandortes an. Es ist Zeit, dass die Politik die Weichen stellt. Sonst schiebt sich Österreich selbst aufs Abstellgleis. Denn die Seidenstraße wird nicht auf uns warten. So gilt nur ein Motto: Jetzt. Oder nie!