Die Rolle des ÖFB-Underdogs wird bleiben, aber das ist kein Manko mehr.
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Im Zweifelsfall für den Underdog. Diese Einstellung bei manchen Fans (und vor allem bei solchen, die sich abseits von Turnieren kaum für Sport interessieren), bei einer Fußball-EM oder auch -WM die kleineren und schwächeren Nationen anzufeuern, ist nicht nur weit verbreitet, sondern im Grunde auch notwendig. Und das nicht nur aus Fairness-, sprich demografischen Gründen, weil es ja doch einen Unterschied macht, ob eine Nationalmannschaft wie etwa die italienische von mehr als 60 Millionen potenziellen Fans unterstützt wird oder eben nur von 9, wie dies für das ÖFB-Team der Fall ist. Schließlich sind die "Kleinen" und die Geschichten, die sie auf dem Rasen schreiben, oft interessanter und bisweilen sogar erfolgreicher als die Storys der großen, etablierten Teams.
Und so hätte es Österreich sehr verdient, zur Halbzeit dieser Paneuropa-EM nicht nur weiter im Bewerb zu stehen, sondern auch hier in einem Atemzug mit überraschend ins Viertelfinale aufgestiegenen Nationen wie Dänemark oder Tschechien genannt zu werden. Viel hat ja nicht gefehlt, und die Italiener hätten so wie Wales (Halbfinalist der Euro 2016) oder die stets top gehandelten Niederlande überraschend ihre Koffer packen müssen. Schön und spannend zu verfolgen war auch der Fight, den sich die ungarische Mannschaft, unbeeindruckt vom inszenierten Regenbogen-Wirbel der Münchner Stadtpolitik, gegen Deutschland geliefert hat, sah es doch über weite Strecken danach aus, als würde das Achtelfinale am Mittwoch gegen England nicht etwa die DFB-Elf, sondern unser östlicher Nachbar bestreiten.
Es sind also Matches wie diese, die jenen, die gern zum Underdog halten, in Erinnerung bleiben. Und man darf annehmen, dass das auch bei der Neuauflage des EM-Halbfinalspiels von 1996 am Abend zwischen Deutschland und England so sein wird. Manche mögen Deutschland - trotz des glücklichen Aufstiegs - in der Rolle des Favoriten sehen und daher dem (nur vermeintlichen) Underdog England die Daumen halten. Das ist nicht nur mental für die Spieler ein Vorteil, sondern wird auch viele Fans erst recht mobilisieren - und sei es nur aus Gefühlen der Revanche für Wembley 1996.
Verlieren die Deutschen und in der Folge auch England, würde das aufgrund der K.o.-Paarungen übrigens bedeuten, dass einer der Finalisten am 11. Juli von einem kleineren Land, also Dänemark, Tschechien, Schweden oder Ukraine, gestellt werden wird. Und das ist, wenn man den Titel von Griechenland 2004 beiseitelässt, seit dem sensationellen EM-Sieg der Dänen 1992 (über Deutschland) lange nicht mehr vorgekommen. Dass das ÖFB-Team 2021 nicht in die Nähe solcher Sphären gekommen ist, hat da nicht nur mit fehlendem Torglück, sondern mit Zufall zu tun. Schließlich hätte es, je nach Auslosung und Spielplan, auch andere Gegner als ausgerechnet Italien gegeben. Wie auch immer, Österreich hat sich mit dem 1:2 nach Verlängerung am Samstag kleine Blöße gegeben und gezeigt, welche Qualität und Laufstärke in dieser Mannschaft steckt. Vor allem aber macht die Leistung des ÖFB-Teams Lust auf mehr. Wie, das werden die Qualifikationen für die WM 2022 in Katar und die EM 2024 in Deutschland weisen. Die Rolle als Underdog wird zwar bleiben, aber das ist kein Manko mehr. Im Gegenteil.