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Absiedlung von Deutschen führt zu 1,5 Milliarden Euro weniger an Steuern. | Deutschland sieht "keinen Grund, Öl ins Feuer zu gießen". | Wien/Berlin. "Steuern runter macht auch Deutsche munter", titelte die deutsche "Bild"-Zeitung am Freitag. Der Grund für die gute Stimmung: Im Interview mit dem Blatt hat Kanzler Alfred Gusenbauer mit dem Fall der Erbschaftssteuer in Österreich geworben. Auf die Frage, ob sich dann mehr Deutsche in Österreich niederlassen könnten, sagte der Kanzler: "Tatsache ist, dass es von Mitte 2008 an . . . keine Erbschaftssteuer mehr gibt. Ich bitte Sie, das möglichst breit zu publizieren!"
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Der ÖVP-Budgetsprecher Günter Stummvoll reagierte höhnisch auf die Werbeaktion: "Es ist erfreulich, dass Gusenbauer unsere ÖVP-Politik lobt", sagte er. Denn seit die Erbschaftssteuer Anfang März vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde, hat sich die SPÖ ja für eine Reparatur statt die von der ÖVP geforderte Abschaffung ausgesprochen.
Was Gusenbauer bei seiner Werbung in Deutschland nicht bedacht hat: Ein Zuzug der Deutschen wegen des Entfalls der Erbschaftssteuer erscheint weniger wahrscheinlich als ein Exodus. Dadurch droht Österreich laut dem Linzer Steuerexperten Markus Achatz 1 bis 1,5 Milliarden Euro an Steuerverlust.
Ähnliches Abkommen mit Israel gekündigt
Der Hintergrund: Zwischen Deutschland und Österreich existiert seit 1954 ein sogenanntes Doppelbesteuerungsabkommen (siehe Kasten), das Deutschen, die nach Österreich ziehen, massive Vorteile bei der Erbschaftssteuer verschafft. Sollte nun die österreichische Erbschaftssteuer fallen, dann ist die Möglichkeit groß, dass Deutschland das Abkommen aufkündigt, so Achatz zur "Wiener Zeitung". So hat Deutschland ein ähnliches Abkommen mit Israel aufgekündigt, als dort die Erbschaftssteuer abgeschafft wurde.
Problematisch wäre dies deshalb, weil die in Österreich lebenden Deutschen dann nicht mehr in den Genuss der steuerlichen Vorteile kommen und "ihr Vermögen aus Österreich abziehen", befürchtet Achatz. Dieses beläuft sich nach einer Schätzung des Experten auf 100 bis 150 Milliarden Euro. Bei einer Durchschnittsrendite von 4 und einer Kapitalertragssteuer von 25 Prozent errechnet Achatz den Verlust von bis zu 1,5 Steuermilliarden.
Auch in Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung der Erbschaftssteuer verlangt, eine Abschaffung kommt für Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) aber nicht in Frage.
Vorerst ist unklar, wie Deutschland auf die Abschaffung in Österreich reagieren wird. Aus Steinbrücks Büro heißt es, dies sei "Sache Österreichs und damit völlig in Ordnung". Man sehe "keinen Grund, hier Öl ins Feuer zu gießen". Ähnlich zugeknöpft war die Reaktion aus dem Kabinett von Finanzminister Wilhelm Molterer:
Finanzministerium gibt sich zugeknöpft
"Ein derartiges Ansinnen Deutschlands liegt dem Ministerium nicht vor", lautete die Antwort auf die Frage der "Wiener Zeitung", ob es denn schon Gespräche mit den Deutschen gebe.
Dass es Verhandlungen geben muss, geht allein schon aus dem Gesetzestext hervor: "Die . . . Vertragsstaaten werden sich gegenseitig . . . über wesentliche Änderungen oder die Aufhebung bestehender Steuern, die von diesem Abkommen betroffen sind, unterrichten", heißt es dort.
Im Übrigen hat Österreich neben Deutschland noch mit acht weiteren Staaten, darunter die USA, Frankreich und die Niederlande, ähnliche Abkommen - allerdings nicht ganz so attraktive.
Wissen: Doppelbesteuerung