Mit der Erweiterung der Europäischen Union droht in Österreich der Verkehrsinfarkt. Aus der neuesten Studie des Verkehrsexperten Max Herry geht hervor, dass der gesamte Güterverkehr bis 2015 um mindestens 50% anwachsen wird. Die heimischen Straßen werden, wenn keine vorkehrenden Maßnahmen getroffen werden, die bevorzugten Transportrouten sein: Beim Transit erwartet Herry sogar exorbitante Steigerungen. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) schlägt nun Alarm, Verkehrsminister Mathias Reichhold verspricht Abhilfe.
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Der Anstieg des Transits lässt Schlimmes für die heimischen Verkehrswege erahnen: Die Gütertransporte von Westen nach Osten werden um 134% zunehmen, der Großteil der Waren wird auf unseren Straßen durchs Land ziehen. Bemerkenswert ist die Prognose für den Ost-Ost-Transit: Hier erwartet der Verkehrsspezialist gar eine Steigerung um 714%. Auch beim österreichischen Ziel- und Quellverkehr wird ein Wachstum bis an die Grenzen des Verkraftbaren erwartet.
Die Wirtschaftskammer schlägt Alarm und macht Druck auf die Bundesregierung. WKÖ-Präsident Christoph Leitl bezeichnet die heimische Infrastruktur als "lahmen Gaul, aus dem ein rassiges Rennpferd werden muss". Der Verkehrsminister nimmt die Warnungen ernst und versucht, erst einmal mit beschleunigten Verfahren Abhilfe zu schaffen, damit Straßen und Schienen rascher ausgebaut werden können. Derzeit dauert die Umsetzung eines Projekts circa 10 bis 15 Jahre, der Minister will die Phase im Straßenbau um 3 Jahre verkürzen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung soll ebenfalls beschleunigt werden, 12 Monate sind ein Richtwert. Das "offene Planungsverfahren" ist Reichholds Ziel. Die Einbindung von Bürgerinitiativen müsse schon ganz zu Beginn erfolgen. Im Bereich der Schiene wird auf bessere Koordination der Infrastrukturgesellschaften und die Streichung von Verfahrensebenen gesetzt.
Abseits der langen Verfahrensschritte ist auch das Geld ein Hemmschuh. Die Wirtschaftskammer will bei der Finanzierung mitreden. Während Leitl ein Freund von Modellen ist, an denen sich auch Private beteiligen, gibt sich der Minister vorsichtig distanziert. "Diese haben nur mit starken Partnern Sinn, es lauern viele Gefahren," stellt Reichhold klar. Er setzt lieber auf die europäische Ebene. So könnte zur Finanzierung mancher Verkehrsstrecken die Europäische Investitionsbank (EIB) herangezogen werden. Die EU sollte nicht nur bei der Planung, sondern auch beim Bau von Projekten des Generalverkehrsplanes mit Geld aushelfen. Im Ministerium wurde soeben eine neue Sektion für EU-Verkehrsfragen eingerichtet.
Große Hoffnungen setzt Reichhold auf die Wegekostenrichtlinie der EU: "Österreich wird massiv Lobbying betreiben." Für sensible Regionen ist angedacht, dass mit Staßenmaut auch die Schienen finanziert werden dürfen. "Mein persönliches Ziel ist, dass alle österreichischen Korridore als sensibel gewertet werden." Der Minister weiß, dass er mit diesem Vorstoß in der EU nicht durchkommt, doch er versucht, Deutschland und Italien auf seine Seite zu ziehen. Die Brennermaut soll steigen (zwischen 15 und 36 Euro), mit den Einnahmen könnte der Brennerbasistunnel vollständig bezahlt werden. Generell plant Reichhold, in schützenswerten Gebieten eine höhere Lkw-Maut einzuführen, die vorzugsweise den Transit belastet.