Zu einem zweitägigen offiziellen Arbeitsbesuch wird der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu heute Mittwoch in Österreich erwartet. Im Zentrum der politischen Gespräche, die Iliescu mit Bundespräsident Thomas Klestil führen wird, stehen europapolitische Fragen wie die EU- und die NATO-Erweiterung. Wirtschaftspolitische Akzente der Visite sind Vorträge Iliescus in den Wirtschaftskammern Wien und Linz sowie Betriebsbesichtigungen in Oberösterreich. Die "Wiener Zeitung" sprach im Vorfeld mit dem rumänischen Botschafter in Wien, Traian Chebeleu, über die bilateralen Verhältnisse der beiden Staaten und die Zukunft Rumäniens in Europa.
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Der EU-Beitritt zählt für Rumänien zum wesentlichsten Schritt (neben der NATO-Mitgliedschaft) in den nächsten fünf Jahren. Rumänien ist in der - durch die positive Abstimmung in Irland freigegeben - bevorstehenden Beitrittsrunde von zehn EU-Kandidaten nicht dabei. Unter den Beitrittsbewerbern rangiert Rumänien ganz weit hinten; von 31 Verhandlungskapiteln mit Brüssel wurden bisher 13 vorläufig abgeschlossen. Schwierige Kapitel wie Landwirtschaft, freier Dienstleistungsverkehr und Budget wurden noch gar nicht eröffnet.
"Zu den Problembereichen in unserem Land zählen vor allem Reformmängel in den diversen Bereichen. Im Justizwesen gibt es noch einiges zu tun, die weit verbreitete Korruption - die leider immer noch für den schlechten Ruf Rumäniens auch hierzulande sorgt, obwohl sich in den letzten zehn Jahren schon sehr viel zum Positiven geändert hat - muss eingedämmt werden", so der rumänische Botschafter gegenüber der "Wiener Zeitung". "Rumänien selbst peilt Anfang 2007 als Zieldatum für einen EU-Beitritt an", erklärt Traian Chebeleu den Besuch des Staatspräsidenten und der ihn begleitenden Delegation in Österreich. "Österreich ist dabei nicht nur aufgrund seiner Mitgliedschaft in der EU, sondern auch aufgrund der langjährigen- ja historischen - Beziehungen ein wichtiger Partner für uns."
Der EU-Fortschrittsbericht unterstreicht aber nicht den Wunsch Bukarests, die Verhandlungen in der ersten Hälfte 2004 abzuschließen. Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Adrian Nastase ist mit einem Berg von Problemen konfrontiert. Die Bevölkerung bekommt das Sanierungsprogramm negativ zu spüren. "Dennoch die Wirtschaftsdaten für 2001 und 2002 sind positiv - mit einer Wachstumsrate von 4,5 bis 5 Prozent - was in Zeiten der allgemein schlechten Konjunkturlage für Rumänien gut ist", sieht der Botschafter positive Ansätze. "Die Jahre wo die innerstaatlichen Wirtschaftsprobleme so groß waren, dass internationale Beziehungen fast zum Erliegen kamen, scheinen damit überwunden zu sein."
Für Österreich haben sich die Wirtschaftsbeziehungen mit Rumänien recht zufrieden stellend entwickelt. Im Vorjahr wuchsen die Exporte um 35 Prozent. Die Ausfuhren betrugen 2001 686 Mill. Euro, die Importe aus Rumänien 423 Mill. Euro. Österreichs Wirtschaft investierte seit 1990 rund 650 Mill. Euro in das osteuropäische Land. 1.850 Unternehmen mit österreichischer Kapitalbeteiligung sind in Rumänien registriert. "Die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich haben in Rumänien für einen Modernisierungsschub gesorgt", so Botschafter Chebeleu zu den Investitionen der heimischen Wirtschaft. Aktuelle Beispiele Frantschach, Generali, Wiener Städtische, Erste Bank, die Bank Austria-Creditanstalt- Gruppe uvm.
"Vor allem investieren österreichische Unternehmen in traditionsreiche Betriebe und Sparten in Rumänien, was der Wirtschaft, dem Land und der Bevölkerung sehr hilft", zieht Botschafter Chebeleu Bilanz. Ein Beispiel die Papier- und Holzindustrie. "Der Aufbau einer modernen Krankenversorgung, hier sei das Unfallspital von Primar Poigenfürst in Temesvar zu nennen, gibt jungen Ärzten in Rumänien die Möglichkeit ihr Wissen als Ärzte umzusetzen."
Ein Thema zwischen Klestil und Iliescu dürfte auch die Donauraum-Kooperation sein. 13 Staaten des Donaubeckens bemühen sich in diesem Forum um die Bewältigung gemeinsamer Probleme. Als weiterer Diskussionspunkt drängt sich die Frage des Internationalen Strafgerichtshofes (ISTGH) auf. Rumänien, das sich nicht zuletzt wegen des NATO-Beitritts mit den USA gut stellt, hat entgegen der EU-Linie mit Washington ein Abkommen über die Nicht-Auslieferung von US-Bürgern an den ISTGH unterzeichnet. Wegen der Brüsseler Kritik stellte Bukarest inzwischen eine Modifizierung in Aussicht.
Puncto NATO-Beitritt läuft es, verglichen mit den EU-Bestrebungen, für Bukarest glatt. Die Einladung zum Beitritt beim Prager NATO-Gipfel im November liegt vor, wobei das nunmehr gute Verhältnis zwischen Bukarest und Washington eine Rolle spielt. Die Unterzeichnung des ISTGH-Vertrages ist Ausdruck der Anpassung Rumäniens an die außenpolitische US-Linie, andererseits profitieren die USA durch Rumänien geostrategisch - dessen Militärbasen und Schwarzmeer-Häfen sind für Nahost- und Zentralasien-Operationen willkommen. "Der Grund für einen raschen Beitritt Rumäniens zur NATO liegt weniger darin, dass wir uns bedroht fühlen", so Chebeleu, "sondern Rumänien will mit diesem Schritt vielmehr der zivilisierten, demokratischen Staatengemeinschaft angehören."
Nach der Begrüßung mit militärischen Ehren nehmen Iliescu und Klestil am Vormittag ihren Dialog auf. Die Umweltminister Wilhelm Molterer und Petru Lificiu werden ein "Memorandum of Understanding" über die Kyoto-Vereinbarungen unterzeichnen. Am Nachmittag trifft Iliescu im Parlament mit Nationalratspräsident Heinz Fischer zusammen. In der Wirtschaftskammer Österreich hält er im Beisein von WKÖ-Präsident Christoph Leitl einen Vortrag zum Thema "Rumänien im Aufbruch".
Der zweite Besuchstag führt Iliescu am Donnerstag in die oberösterreichische Landeshauptstadt. In Linz sind Gespräche mit Landeshauptmann Josef Pühringer, ein Vortrag in der Wirtschaftskammer sowie Besichtigungen von Industriebetrieben geplant.