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Österreich erhält Unterstützung

Von Heike Hausensteiner, Brüssel

Europaarchiv

Beim EU-Gipfel in Brüssel haben die 28 Staats- und Regierungschefs aus den EU-Staaten, Beitrittsländern und Kandidatenstaaten am Donnerstag ihre Beratungen über die neue Verfassung fortgesetzt. Dabei zeichnete sich ein Konsens über die österreichischen Positionen ab.


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Österreichs Forderung, an dem Prinzip von einem stimmberechtigten Kommissar pro Mitgliedsland festzuhalten, findet zunehmend Unterstützung, berichteten Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner nach den Beratungen in der Regierungskonferenz. Die Kommission sei ein "Kollegialorgan" ebenso wie ein "Motor der Gemeinschaft" und "unabhängiger Wächter", rief Ferrero-Waldner die Prinzipien der Kommission in Erinnerung. Es sei daher legitim, dass jeder Mitgliedstaat weiterhin einen Kommissar mit Stimmrecht stelle. "Das Stimmrecht ist Ausdruck der Gleichberechtigung", meinte denn auch Frankreichs Kommissar Michel Barnier.

Eine Einigung zeichnet sich auch in Richtung eines neuen EU-Präsidenten ab. Dieser soll lediglich als "Vorsitzender" fungieren und mehr die Rolle eines "Chair", nicht die eines "Head of the Union" übernehmen, erläuterte Schüssel vor Journalisten. Die Aufgabe des Präsidenten wäre es etwa, die Ratstagungen zu organisieren. Denn notwendig sei "Kontinuität, Kohäsion und Konsens", sagte EU-Parlamentspräsident Pat Cox. Dem will sich Österreich anschließen. "Denn wir wollen keinen wirklichen Präsidenten des Europäischen Rates als neue Institution", präzisierte Ferrero-Waldner.

In den Fachministerräten dürfte es künftig wechselnde Teampräsidentschaften von mehreren Mitgliedstaaten geben. Österreich favorisiert das Modell, wonach drei Länder 18 Monate lang die Ratspräsidentschaft führen, so Schüssel. Nach Angaben von Außenministerin Ferrero-Waldner sollen aber der Allgemeine Rat (der Außenminister) und der Rat der Ständigen Vertreter (das sind die "EU-Botschafter" der Länder, Anm.) weiterhin von einem Mitgliedstaat geleitet werden. Wieder vom Tisch ist der vom Verfassungskonvent angedachte Legislativrat, in dem ausschließlich EU-Gesetze beschlossen werden sollten. Wichtiger sei vielmehr, dass die Forderung nach mehr Transparenz in den EU-Räten umgesetzt werde, meinte Schüssel.

Einig ist sich die verfassungsgebende Regierungskonferenz zudem über die Einrichtung eines neuen EU-"Außenministers". Fraglich ist noch, wo dieses Amt angesiedelt wird, ob im Rat oder in der Kommission. Derzeit werden die Außenpolitik-Agenden vom Hohen Beauftragten und Generalsekretär des Rats in Personalunion, Javier Solana, sowie von Kommissar Chris Patten wahrgenommen. Österreich sieht den neuen Außenminister - so werde der Posten in Zukunft auch genannt, denn alles andere ist nach Aussage von Bundeskanzler Schüssel "lächerlich" - lieber in der Kommission angesiedelt. Der Außenminister soll auch Vizepräsident der Kommission werden, dort ein Stimmrecht haben und wie die übrigen Kommissare dem EU-Parlament gegenüber verantwortlich sein. Ferrero-Waldner ist in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) außerdem für den Übergang zu Mehrheitsbeschlüssen - was jedoch aus derzeitiger Sicht unrealistisch scheint. Allen voran Großbritannien möchte hier an der Veto-Möglichkeit, also Einstimmigkeit, festhalten.

Sondergipfel

Zur Frage der neuen Stimmgewichtung im Rat, gegen die sich Spanien und Polen sperren, werde erst am Ende des Verhandlungsprozesses eine Einigung möglich sein, glaubt Ferrero-Waldner. Auf Vorschlag der italienischen EU-Ratspräsidentschaft sollen sich die Staats- und Regierungschefs im November zusätzlich zu einem Sondergipfel treffen, um die strittigen Fragen auszudiskutieren.

Im Vorfeld des EU-Gipfels übte in Brüssel SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer Kritik an der Regierungskonferenz und daran, wie die Staats- und Regierungschefs mit dem vom Konvent vorgelegten Verfassungsentwurf umgingen. Am Konventsvorschlag müsse festgehalten werden, warnte Gusenbauer vor substanziellen Änderungen und einem Öffnen der "Büchse der Pandora". Gleichzeitig schloss er sich ebenfalls der Forderung nach einem stimmberechtigten Kommissar pro Mitgliedsland an - womit der Verfassungsentwurf sehr wohl abgeändert würde; darin wurden, wie berichtet, eine Verkleinerung der Kommission sowie Kommissare mit und ohne Stimmrecht vorgeschlagen. Zum anderen war diese Neuerung auch von den SPÖ-Konventsmitgliedern Caspar Einem (Europasprecher) und Maria Berger (EU-Abgeordnete) mitgetragen worden. Zuletzt hatte auch Einem auf die Linie "ein stimmberechtigter Kommissar pro Land" eingeschwenkt.

Als mögliche Nachfolger von Agrarkommissar Franz Fischler in Brüssel werden Ex-Landwirtschaftsminister, ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl genannt. Auf die Frage der "Wiener Zeitung", wen er als Kandidaten präferiere, meinte Gusenbauer: "Der Kommissarsposten ist keine Erbpacht einer Partei."

Keine Erbpacht

Der EU-Gipfel wurde am späten Donnerstagnachmittag bis in die Nacht hinein mit den Beratungen über die Programme zur Ankurbelung der Konjunktur und über den Umgang mit legalen und illegalen Einwanderern fortgesetzt. Außerdem sollten die Vertreter der Euro-Länder den Franzosen Jean-Claude Trichet formell als nächsten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) beschließen. Neben Bundeskanzler Schüssel und Außenministerin Ferrero-Waldner nahm daher auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Europäischen Rat teil.