)
Wäre "Anfang vom Ende der Reisefreiheit". | Anregungen aus Frankreich, Italien und Deutschland. | Brüssel. Der Migrationsdruck aus Nordafrika hält unverändert an. Bis Montag waren wieder 3000 Menschen aus Tunesien auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet - um die 30.000 waren es seit Jahresbeginn. Sie wollten im Wesentlichen in die französischsprachigen EU-Länder Frankreich und Belgien weiterreisen, erklärte ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. | Analyse: Freiheit zum Freiheitsentzug
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Österreich sei "grundsätzlich kein Zielland", Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf die Immigrationszahlen gebe es daher so gut wie keine. Kritisch stehe Wien zu der Idee, die Schengen-Grenzen wieder hochzuziehen, hieß es. Aus welchem Anlass und über welchen Zeitraum das künftig erlaubt werden soll, ist Thema eines Sonderinnenministertreffens nächste Woche. Die Grundzüge will die Kommission morgen in einem Strategiepapier zur Migrationspolitik erläutern.
"Effektive und glaubwürdige Außengrenzen (der Schengenzone) sind erforderlich", heißt es in einem Entwurf, welcher der "Wiener Zeitung" vorliegt. Wenn ein Mitgliedsstaat seinen Bereich der Außengrenzen aber nicht ordentlich kontrollieren könne oder dieses "unter unerwarteten und schweren Druck wegen äußerer Ereignisse gerät", brauche die Union einen "Mechanismus für den Umgang mit dieser Situation". Der könnte als "letzter Ausweg in kritischen Situationen" eine "koordinierte und vorübergehende Wiedereinführung der Kontrollen an Teilen der Binnengrenzen" nach sich ziehen, schreiben die Kommissionsstrategen.
Pläne zur Reform des Schengenraums
Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag könnte die Kommission "in Kürze" vorlegen. Damit sollen einseitige Initiativen zur Wiedereinführung der Kontrollen an den Binnengrenzen reduziert werden, wie sie die französischen Behörden seit Wochen de facto an der italienischen Grenze durchführen. Die Italiener hatten begonnen, den illegal aus Tunesien Eingereisten Touristenvisa auszustellen, um ihnen die Weiterreise nach Frankreich zu erleichtern.
So folgt die Vorlage des EU-Migrationspapiers einem Brief des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Darin hatten die beiden gefordert, die Möglichkeiten für die Aussetzung des Schengen-Vertrags auszuweiten. Denn derzeit dürfen die Kontrollen an den Binnengrenzen nur dann vorübergehend wieder eingeführt werden, wenn es die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit unbedingt erfordert. Das gilt vor allem für vorhersehbare Ereignisse wie die Abhaltung von Fußballwelt- und Europameisterschaften oder hochrangig besetzten internationalen Konferenzen.
Kritiker wittern durch eine Ausweitung der Ausnahmen bereits "den Anfang vom Ende der Reisefreiheit" im Schengenraum. Dessen Reform ist keine neue französisch-italienische Idee. Deutschland hatte offenbar bereits beim Innenministertreffen im Februar Ähnliches gefordert. Damals waren der Anlass die Beitrittsbemühungen von Bulgarien und Rumänien, welche in Berlin und Paris sehr kritisch betrachtet werden.