Österreich hat die meisten "kritischen Demokraten". Dies ist das Ergebnis einer staatenübergreifenden Studie vom Zentrum für angewandte Politikforschung (ZAP) über den Zusammenhang von vorhandenem Sozialkapital und die Auswirkungen auf die Demokratie.
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Die Akzeptanz der Demokratie als Ordnungssystem sei in Österreich sehr hoch, erklärte der Politikwissenschaftler Fritz Plasser bei der Präsentation der Studie, stellte aber gleichzeitig fest, dass die Bevölkerung dem Funktionieren insgesamt eher skeptisch gegenüberstehe.
Die Daten wurden vor der letzten Nationalratswahl erhoben, "vor der Wende", wie Plasser betonte. Waren die kritischen Demokraten damals eher unzufriedene FPÖ-Sympathisanten, so sind die heutigen Skeptiker eher dem SPÖ-Lager zuzuordnen - die Höhe der Unzufriedenheit ist im Endeffekt gleich geblieben. Die Schlussfolgerung des Politikexperten: Bei mehr mentaler Anteilnahme, also mehr Interesse am politischen Geschehen, steigt die kritische Wachsamkeit.
Dies sei eine Einstellung, die durch das so genannte Sozialkapital gefördert werde. Darunter versteht man einerseits das interpersonale Vertrauen - dem Entgegenbringen von Vertrauen anderen Menschen gegenüber-, das prosoziale Verhalten und die damit verbundene Unterstützung gemeinschaftsbezogener Werte und Normen sowie das Engagement in Organisationsnetzwerken wie etwa in freiwilligen oder traditionellen Interessensverbände, Freizeit- oder karitativen Organisationen.
Die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung hängt ab von Finanz-, Human- und Sozialkapital. In ihrer Untersuchung kamen die Experten zu dem Schluss, dass vorhandenes Sozialkapital die Qualität der Demokratie verbessert. In Ländern mit einem dichten Netz, seien die Menschen einander stärker verbunden.
Dementsprechend hat man drei Gruppen erkannt, berichtete der Politologe und Mitautor der Studie, Oscar W. Gabriel von der Universität Stuttgart. In den skandinavischen Ländern sei das Sozialkapital sehr hoch entwickelt, so gibt es in Schweden etwa 12,3 Prozent "Sozialkapitalisten". Die mitteleuropäischen Ländern - darunter auch Österreich mit 4,3 Prozent -, die USA und Großbritannien liegen im Mittelfeld. Das Schlusslicht bilden die ost- und südeuropäischen Ländern, wie etwa Ungarn mit nur 1,6 Prozent "Sozialkapitalisten". So wurde erkannt, dass sich etwa Wohlstand oder totalitäre Regierungsformen ganz unterschiedlich auf die Bildung von Sozialkapital auswirken.