Die Koalition will die Arbeitslosigkeit senken, kniffliges Thema dabei ist die Migration aus anderen EU-Ländern.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Getrieben von einschlägigen FPÖ-Parolen wird die Flüchtlingsbewegung von 2015 gerne als Ursache für die relativ hohe Arbeitslosigkeit bezeichnet. Sie ist auch Auslöser von Ängsten in der Bevölkerung. Den Fakten hält diese Behauptung nicht stand. Denn gleichzeitig steigt die Gesamtbeschäftigung in Österreich, allein im Jahr 2016 um zirka 60.000. Das ist ein Wert, der vergleichsweise besser ausfällt als in Deutschland.
In einem Papier des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) wird etwa "die markante Zunahme des Arbeitskräfteangebots" genannt. Das sind einerseits Frauen, deren Erwerbsquote erfreulicherweise steigt, andererseits ältere Arbeitnehmer, die länger im Berufsleben bleiben als früher.
Und es ist auch die Migration, allerdings die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten. Im Rahmen der in der EU vereinbarten Personenfreizügigkeit kann jeder EU-Bürger in ein anderes Land arbeiten gehen. Da die Löhne im benachbarten Osteuropa deutlich niedriger sind, zeichnet Österreich eine starke Attraktivität aus. Von den etwa 1,9 Millionen "entsendeten" Beschäftigten in der EU entfallen 180.000 auf Österreich, sagt der ehemalige Direktor der Arbeiterkammer, Werner Muhm. Da Österreich insgesamt etwa für zwei Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung steht, ist dies ein enorm hoher Wert.
"Man kann es politisch hin- und herdiskutieren, aber Österreich ist ein Einwanderungsland", meint der Wifo-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer durchaus provokant. 18 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich sind nicht im Land geboren, das ist ein höherer Wert als in den klassischen Einwanderungsländern USA, Großbritannien und Frankreich. Und da sich diese Arbeits-Migration auf die Ostregion und vor allem die Bundeshauptstadt konzentriert, sind es in Wien sogar 35 Prozent.
Viele Pendler
Weitere Besonderheit Wiens: Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stadt führen zu weiteren 260.000 Pendlern, die in den umliegenden Bundesländern wohnen, aber in Wien arbeiten.
Vor allem die Arbeitnehmer aus Rumänien und Ungarn sowie aus Deutschland, Polen und Bulgarien sorgen aber in Österreich für einen Verdrängungswettbewerb bei niedrig bezahlten Jobs. In Wien sind es vor allem davor eingewanderte Türken, die von diesen Arbeitsmigranten "verdrängt" werden. Deutliches Indiz dafür: Mit der Einführung des Mindestlohns in Deutschland ist der Zustrom von dort deutlich abgeebbt. "Ungarn, Rumänien, Polen exportieren ihre Arbeitslosigkeit nach Österreich", lautet der Befund der Gewerkschaften.
Integrationsagenden
Für diese Länder gab es eine Übergangsbestimmung, die den Arbeitsmarktzugang regulierte. Die ist 2011 endgültig ausgelaufen. Und in drei Jahren geht der heimische Arbeitsmarkt für das jüngste EU-Mitglied Kroatien auf. "Kroatien hat schwere Jahre hinter sich, es geht nun leicht aufwärts, aber die Sockel-Arbeitslosigkeit dort ist deutlich gestiegen", sagt der Chef des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche wiiw, Michael Landesmann. Eine Forderung von SPÖ-Teilorganisationen lautet daher, die Integration vom Innen- bzw. Außenministerium ins Sozialministerium umzusiedeln.
Denn die Migranten aus anderen EU-Ländern verfügen in der Mehrzahl über nur niedrige oder gar keine Bildungsabschlüsse. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Job-Vermittlung für diese Gruppe. In Wien sind 44 Prozent der Langzeitarbeitslosen Migranten, bestätigt AMS-Wien-Chefin Petra Draxl.
Nun sind etliche Programme gestartet worden, vor allem in der Sprachvermittlung. "Wer als Reinigungskraft in Österreich arbeitet, kommt mit geringen Deutschkenntnissen aus. Aber wer einen Lehrabschluss nachholen möchte, muss die Sprache beherrschen", so die Wifo-Einschätzung.
Ein Ausweg lautet, das Job-Wachstum in Österreich durch politische Programme noch einmal zu erhöhen. Sozialminister Alois Stöger erhofft sich auch einiges von der Ausbildungspflicht bis 18 und der Ausbildungsgarantie bis 25. Dadurch wird das Arbeitsmarktservice (AMS) in die Lage versetzt, Angebote zu machen.
EU-Bürgern einfach den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verweigern, geht EU-rechtlich nicht. Es wäre aus wirtschaftlichen Erwägungen auch kontraproduktiv. Immerhin arbeiten auch 264.000 Österreicher in anderen EU-Ländern. Und die heimische Wirtschaft ist einer der größten Investoren in den EU-Ländern Osteuropas. Die Muttersprache von Arbeitsmigranten dafür zu nutzen, würde heimischen Firmen helfen.
Die Gewerkschaften fordern seit längerem eine Begrenzung dieses Zuzugs, das geht aber nur auf europäischer Ebene. Lohnschutzklauseln könnten da helfen. Die am stärksten betroffene Branche in Österreich ist der Tourismus. Dort arbeitet etwa die Hälfte der EU-Arbeitsmigranten. Es folgen Bau, Landwirtschaft und Reinigungsdienste.
Seit Finanzkrise überfordert
Vor allem seit der Finanzkrise 2007 wird Österreichs Arbeitsmarkt von dieser Migration überfordert. Das schwache Wirtschaftswachstum in den Jahren danach und der stark verlangsamte Aufholprozess der osteuropäischen Mitgliedsländer seither sind die Ursache dafür.
Landesmann: "Wir müssen die Quellenländer stärker unterstützen. Vor allem in Osteuropa ist zu stark auf Direktinvestitionen gesetzt worden." Nun gelte es, auch dort eine klein- und mittelbetriebliche Struktur zu schaffen, um den Menschen Ausbildung und Jobs zur Verfügung stellen zu können.