Bisher keine Ausfälle - Zinsgewinne des Bundes höher als OeNB-Zinseinbußen.
Österreich ist eine kleine offene Volkswirtschaft mit einem großen international tätigen Bankensektor - und kann daher durch internationale Finanzkrisen betroffen sein. Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Währungssystems 1971 hat weltweit die Zahl der Finanzkrisen zugenommen. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gab es von 1970 bis 2007 insgesamt 208 Währungskrisen, 124 Bankenkrisen und 63 Staatsschuldenkrisen. Vor der häufigsten Form, den Währungskrisen, ist Österreich durch den Euro geschützt.
Unser Nachbarland Schweiz ist nicht in dieser glücklichen Lage - der Schweizer Notenbank entstand zum Beispiel 2010 ein Verlust aus Fremdwährungspositionen von 26,5 Milliarden Franken. Beim Euro hingegen können sich Vorfälle wie die EWS-Wechselkurskrisen von 1992 bis 1995, als fast alle EU- Währungen und auch der Schilling spekulativen Attacken ausgesetzt waren, nicht mehr ereignen. Der Euro schützt allerdings nicht vor Banken- und Staatsschuldenkrisen.
Österreichs Risiko im Osten
Die europäische Finanzarchitektur, das Umfeld liberalisierter Kapitalmärkte und die Europäische Währungsunion - mit dem Euro und einem handlungsfähigen Eurosystem einerseits und einer weniger stark ausgebauten Wirtschaftsunion andererseits - haben sich als krisenanfällig erwiesen. Die internationalen Kapitalflüsse - erst hohe Zuflüsse, dann "sudden stopps" oder sogar Abflüsse - spielten bei den aktuellen Krisen in Europa eine zentrale Rolle. Sowohl Island und Osteuropa als auch die Krisenländer im Euroraum verzeichneten vor der Krise hohe Zuflüsse an Kapital, die sich in der Krise umkehrten und durch öffentliche Finanzmittel von der EU, dem Euroraum und dem IWF ersetzt werden müssen, um eine geordnete Anpassung zu ermöglichen.
Dazu war die Errichtung beziehungsweise Erweiterung von "Schutzschirmen" für die Staaten der EU oder des Euroraumes beziehungsweise die Erhöhung der IWF-Mittel erforderlich. 2009 wurde die für diesen Zweck vorgesehene EU-Zahlungsbilanzfazilität auf 50 Milliarden Euro aufgestockt. Die IWF-Mittel wurden sogar auf 750 Milliarden Dollar erhöht. Seit Mai 2010 gibt es bilaterale Kredite der Euroländer an Griechenland.
Und es wurden Finanzierungsmechanismen errichtet: die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) mit 440 Milliarden Euro, der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) mit 60 Milliarden Euro und künftig der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) mit 500 Milliarden Euro. Damit werden - in Ergänzung zu den Mitteln des IWF auf globaler Ebene - auch auf regionaler Ebene finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Staaten geschaffen.
Österreich hat von der Stabilisierung Osteuropas durch EU und IWF Anfang 2009 sehr profitiert. Damals kam es zu heftigen spekulativen Attacken gegen praktisch alle Länder Mittel-, Ost-, und Südosteuropas. Auch Österreich kam wegen seines Engagements in der Region - insbesondere wegen des hohen Banken-Exposures - unter Druck. Die Finanzmärkte reagierten auf die dortige Krise mit einem Anstieg der österreichischen CDS-Spreads: Die Versicherungsprämie für den Fall eines österreichischen Zahlungsausfalls stieg kurzfristig sogar auf das Niveau von Griechenland - ein klarer Fall von Marktversagen. Zusätzlich stiegen auch die Risikoprämien für Österreichs Staatsanleihen. Die Spreads (Zinsunterschiede) zu deutschen Anleihen stiegen stark an. Dies verteuerte die Finanzierung für Österreich. US-Nobelpreisträger Paul Krugman sprach sogar über die Gefahr eines Staatsbankrotts Österreichs.
Spreads deutlich gesunken
Für Österreich war der Europäische Rat vom März 2009 wahrscheinlich der erfolgreichste seiner EU-Mitgliedschaft. Dieser Europäische Rat beschloss - nach intensivem österreichischen Lobbying - die bereits angesprochene Erhöhung der Beistandsfazilität der EU zur Zahlungsbilanzstützung auf 50 Milliarden Euro.
Zusätzlich wurde ein EU-Beitrag zur Finanzierung des IWF von 75 Milliarden Euro (damals etwa 100 Milliarden US-Dollar) beschlossen. Damit brachte die EU gemeinsam mit Japan, das ebenfalls 100 Milliarden Dollar versprach, die USA unter Zugzwang. Somit versprachen auch die Amerikaner 100 Milliarden Dollar, sodass die G20 (die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer) Anfang April 2009 in London die Mittel des IWF von 250 auf 750 Milliarden Dollar erhöhen konnten. Zusätzlich gab der IWF an seine Mitgliedsländer noch Sonderziehungsrechte im Wert von 250 Milliarden Dollar aus. Bei diesen Sonderziehungsrechten handelt es sich um eine künstliche IWF-Währung, die den Reserven eines Landes zugerechnet wird. Ihr Wechselkurs wird durch einen Korb wichtiger Weltwährungen gebildet.
Die großen Gewinner dieser Beschlüsse waren Mittel-, Ost- und Südosteuropa und damit auch Österreich. Die Finanzmärkte wussten nun, dass der IWF und die EU ausreichend Mittel hatten, um die Region zu stabilisieren - und die CDS-Spreads und Zinsaufschläge sanken. Die Spreads der österreichischen Staatsanleihen gegenüber den deutschen fielen ab April 2009 im Durchschnitt um 0,5 Prozentpunkte, was Österreich Finanzierungskosten ersparte. Für Österreich bedeutet das über die gesamte Laufzeit der 2009 und 2010 aufgenommenen Anleihen gerechnet eine Zinsersparnis von jeweils etwa einer Milliarde Euro.
Die EU-Finanzhilfen für Mittel-, Ost- und Südosteuropa verursachten für Österreich keine Kosten, da die Finanzierung durch eine Kreditaufnahme der EU-Kommission auf den internationalen Kapitalmärkten erfolgte. Die EU kann sich durch ihre hohe Kreditwürdigkeit relativ günstig finanzieren und gibt diese Kredite an notleidende Staaten weiter, die sie mit Zinsen zurückzahlen. Der EU entstehen dadurch keine Kosten. Im Falle Ungarns betrug die Verzinsung 3,2 bis 3,8 Prozent.
Der IWF refinanziert sich nicht auf den internationalen Finanzmärkten, sondern bei seinen Mitgliedsländern - im Falle Österreichs bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Inanspruchnahme der OeNB lag 2009 und 2010 etwas über 440 Millionen IWF-Sonderziehungsrechten. Deren Verzinsung lag 2009 und 2010 bei etwa 0,25 Prozent, also deutlich unter den Euro-Zinsen von 1 Prozent, sodass der OeNB ein Zinsverlust von etwa 0,75 Prozent entstand. Dies verringerte den OeNB-Gewinn. Der jährliche Zinsverlust lag 2009 und 2010 jeweils knapp unter 4 Millionen Euro, also insgesamt unter 8 Millionen Euro. Die Inanspruchnahme der OeNB wird in den nächsten Jahren wesentlich ansteigen, da durch die Aufstockung der Neuen Kreditvereinbarungen (NAB) dem IWF zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die OeNB wird dann dem IWF im Rahmen des NAB Kredite bis zu 3,6 Milliarden Sonderziehungsrechten gewähren können.
Es gab bisher keine Ausfälle
Heuer wurde die 2009 erfolgreiche Vorgangsweise wieder verfolgt - erst wurde der Euroraum-Schutzschirm auf 700 Milliarden Euro erhöht, indem EFSF-Mittel parallel zum ESM laufen. Die EUrozone hat sich bereit erklärt, dem IWF 150 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Österreichs Anteil daran macht 6,1 Milliarden Euro aus. Bei der IWF-Frühjahrstagung ist es gelungen, die Mittel, die dem IWF zur Krisenbekämpfung zur Verfügung gestellt werden, durch zusätzliche Beiträge anderer Länder wie Japan, Korea oder Saudi-Arabien um mehr als 450 Milliarden Dollar zu erhöhen.
Der österreichische Anteil wird nach erfolgter gesetzlicher Ermächtigung durch einen Kredit der OeNB an den IWF zur Verfügung gestellt werden. Abhängig von den dann herrschenden Euro- und Sonderziehungsrechte-Zinsen wird es entweder einen Zinsverlust oder einen Zinsgewinn (wenn der Sonderziehungsrechte-Zins über dem Euro-Zins liegt) geben.
Österreich hat daher von den Schutzschirmen profitiert - es gab bisher keine Ausfälle, weder bei den bilateralen Krediten an Griechenland noch bei den Garantien für den EFSF. Die Zinsgewinne für den Bund von 2 Milliarden Euro lagen deutlich über den OeNB-Zinsverlusten von 8 Millionen Euro. Es ist zu hoffen, dass die Finanzmärkte im heurigen Jahr, wie schon 2009, zu dem Schluss kommen, dass der IWF, die EU und die Eurozone ausreichend Mittel besitzen, um Krisenländer zu stabilisieren, und daher die CDS-Spreads und Zinsaufschläge sinken.
Zur Person
Franz
Nauschnigg
ist Leiter der Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank. Die im Artikel vertretenen Positionen stellen die persönliche Meinung des Autors dar.
Zur Person:
Franz Nauschnigg ist Leiter der Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen in der Oesterreichischen Nationalbank. Die im Artikel vertretenen Positionen stellen die persönliche Meinung des Autors dar.