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"Österreich ist schon in der Zukunft"

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Orange-Chef Michael Krammer im Interview. | "Das Festnetz hört auf zu existieren." | Michael Krammer: Bezogen auf die Österreicher stimmt das. Aber unser großer Umsatzbringer sind die Ausländer, die in Österreich telefonieren. Die sind im Touristenland Österreich nicht zu unterschätzen. Mit der Roaming-Regulierung ist es, als würde die Frau Reding für Touristen, die nach Österreich kommen, die Mineralwasserpreise regulieren.


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Kann man sich eine Europa-Flatrate nur als transnationaler Riese leisten? Indem man das Orange-Netz, das Europa abdeckt, verwendet?

Unser Vorteil als Teil einer großen Gemeinschaft ist, dass uns internationale Leitungen zur Verfügung stehen, die wir sonst anmieten müssten. Damit hat es sich. Um die Terminierungsentgelte kommen wir nicht herum, die sind national geregelt.

Weshalb ist Orange in den kleinen, schwierigen österreichischen Markt gekommen?

Im Portfolio von Orange fehlte zwischen der Schweiz und der Slowakei der Missing Link. (Anm.: neben der Slowakei ist Orange auch in Polen, Rumänien, Moldawien präsent und hat kürzlich eine Lizenz in Armenien erworben.) Österreich ist das Tor nach Osteuropa. Nicht nur, was die Industrie betrifft, sondern auch was die internationalen Leitungen betrifft. Die gehen durch Österreich. Und Orange war ja schon Miteigentümer bei One, mit 17 Prozent.

Der Trend zur Fusionierung macht sich in der Telekom-Branche bemerkbar. Großkonzerne teilen sich Europa auf. France Telecom ist als Orange in Österreich, der Deutschen Telekom gehört hier die Handy-Marke T-Mobile/Telering. Die Telekom Austria (TA) ist inzwischen der einzige Konzern, der ohne eine riesige Mutter hinter sich agiert. Wann kauft Vodafone oder Telefonica die TA?

Vodafone ist zwar schon als Sub-Marke bei A1 vertreten. Aber wer jetzt der "strategische Partner" sein wird, ist spekulativ. Diese Gedanken brauche ich mir Gottseidank nicht zu machen. Und die TA ist groß - dank ihrer Expansion im CEE-Raum. Jedenfalls hat die TA mehr Kunden als "3" auf der ganzen Welt. Es gibt eine Reihe von mittelgroßen Konzernen in Europa, die eine Zeit lang Bestand haben und eine erfolgreiche Nischenstrategie fahren. Das einzige wirkliche Problem, was sie zu lösen haben, ist das Festnetz in Österreich. Und das dürften sie jetzt gerade angehen.

Pausiert die Konsolidierung in Zeiten der Finanzkrise?

Ja, jetzt müssten alle große Merger ausschließlich aus dem Cash-Flow finanziert werden. Fremdkapital in der derzeitigen Situation aufzustellen, ist schwierig. Ich sehe keine Fusionen in naher Zukunft.

Sie haben angekündigt, 2009 den Umsatz-Marktanteil von 18 auf 20 Prozent steigern zu wollen. Trotz der Krise?

Wenn der Umsatz der Branche sinkt, wird unserer auch sinken. Aber die Frage ist, wie bewegt man sich in Relation zum Gesamtmarkt.

Sie gehen davon aus, dass der Umsatz sinken wird?

Definitiv. Die erste Roaming-Regulierung wird die österreichischen Mobilfunker 2008 insgesamt 100 Mio. Euro kosten. Zusätzlich werden die Terminierungsentgelte weiter gesenkt.

Das sind die externen Faktoren. Aber glauben Sie, dass die Österreicher weniger telefonieren werden, oder weniger Service-Dienste in Anspruch nehmen?

Ich glaube, dass bei den Grundbedürfnissen, wie Telefonie, SMS und Internet, nicht viel gespart werden wird. Was schwieriger werden wird, ist der Verkauf von Zusatzprodukten, wie Musik-Abos oder Navigationssysteme am Handy.

Mit den Zusatzprodukten macht doch die Branche Geld.

Das wird ziemlich überschätzt. Die Branche verdient noch immer im Wesentlichen ihr Geld mit der Sprachtelefonie.

Das heißt, die Tarife könnten weiter nach unten gehen.

Das glaube ich nicht, weil genau durch die externen Faktoren wie die Roaming-Regulierung und Terminierungsentgelte der Spielraum in der Preisgestaltung eingeschränkt wird. Und wenn man sagt: "Wir verdienen", ist immer die Frage, welches Ergebnis schaut man sich an. Im operativen Ergebnis: Ja, wir verdienen. Das Ebitda ist deutlich positiv. Wir sind aber eine Branche, die sehr investitionsintensiv ist. 2007 haben wir 140 Millionen Euro in den Netzausbau gesteckt. Da ist es schon relevant, nicht nur auf das operative Ergebnis zu schauen, sondern auch inwieweit wir investitionsfähig bleiben.

Sie waren Chef des deutschen Konzerns E-Plus. Was unterscheidet den deutschen vom österreichischen Telekom-Markt?

Beim Mobilfunk heißt es: "Wenn ich von Deutschland nach Österreich fahre, fahre ich in die Zukunft." Der österreichische Markt ist in jeder Hinsicht dem deutschen zumindest um 2 Jahre voraus. Die Dynamik des Wettbewerbs ist wesentlich größer. Klarerweise: Wenn man 4 Anbieter für über 80 Millionen Menschen hat, ist das anders als 4 Betreiber, die 8 Millionen Menschen gegenüber stehen.

Wird so ein Wettbewerb auch in den relativ kleinen CEE-Ländern entstehen?

Natürlich. Aber dort darf man eines nicht vergessen: Dort ist die Penetrationsrate noch auf einem sehr niedrigen Niveau. In Österreich hat jeder durchschnittlich 1,26 Handys. Dort hat erst jeder Dritte eines. Darüber hinaus gibt es in einigen der Ländern kaum eine leistungsfähige Festnetz-Infrastruktur. In Österreich hat der Wettbewerb ja nicht nur zwischen den Mobilfunkern stattgefunden, sondern auch zwischen Mobil- und Festnetz. Dort hat der Mobilfunk ein größeres Spielfeld. Das heißt, die Voraussetzungen sind für die Mobilfunker deutlich besser.

Ihr Kollege, der T-Mobile-Austria-Chef Robert Chvatal hat gesagt, in ein paar Jahren wird niemand mehr Internet zuhause haben, sondern nur noch mobil . Teilen Sie seine Meinung?

Ja - derzeit sind rund 34 Prozent aller Breitband-Anschlüsse mobil. In den nächsten drei, vier Jahren wird sich das auf über 50 Prozent und wahrscheinlich auch über 70 Prozent entwickeln.

Sind die mobilen Breiband-Anschlüsse nicht zumeist Zweit-Anschlüsse? Die Schnelligkeit ist mit mobilem Breitband nicht gegeben.

Wenn Sie in Wien an einem Kabel hängen, sind Sie natürlich schneller. Aber im Vergleich zu einem normalen DSL-Anschluss, egal ob Tele2, von der Telekom, ist bei mobilem Breitband, kein wahrnehmbarer Unterschied mehr. Und die Entwicklung eilt voran - bald wird sich die Geschwindigkeit verdoppelt haben. Aber DSL bleibt stehen.

Wird Festnetz in zehn Jahren noch existieren?

Nicht als ein Telefon, das im Haushalt steht. Aber die Festnetz-Infrastruktur ist das Rückgrat für jedes Handy-Netz, das über weite Teilen über das Festnetz abgewickelt wird. "Schnurlos" ist nur der Luftraum zwischen Handy und Basisstation. Die Leitungsfunktionen werden weiter Bestand haben. Das ist ein wichtiges künftiges Geschäftsfeld für die TA, weil die die größte Infrastruktur hat.