Mautdebatte löst Begehrlichkeiten nach Studiengebühren aus.
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Wien. "Zwei Einheimischen-Karten, bitte." Die Zeiten, in denen dieser Satz den Ortsansässigen günstigere Karten für Skilift, Heimatmuseum oder Hallenbad beschert hat, sind längst vorbei. Denn - das ist eine der Grundsäulen der Europäischen Union - durch die Niederlassungsfreiheit müssen EU-Bürger den Einheimischen gleichgestellt sein.
So weit, so klar. Doch ganz plötzlich kommt noch einmal Bewegung in eine längst abgehakt geglaubt Debatte. Schuld daran ist das Beharren der CSU auf eine bayrische Autobahn-Maut. Diese soll zwar für alle gelten und damit auch massive Auswirkungen auf die Österreicher haben, in Deutschland ansässige Personen sollen die Kosten aber über die Kfz-Steuer refundiert bekommen. Eine indirekte Diskriminierung also? Nein, sagte Verkehrskommissar Siim Kallas: Eine Senkung der Steuern für "gebietsansässige Nutzer (. . .) bei gleichzeitiger Erhebung angemessener Nutzungsgebühren für alle Nutzer" stelle keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar.
Auf EU-Ebene sind zwar nicht alle der Meinung des Kommissars, der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer hat am Montag im Ö1-"Morgenjournal" aber Parallelen zu einem ähnlich drängenden österreichischen Problem gezogen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Studierenden aus dem EU-Ausland hierzulande mehr als verdoppelt (siehe Grafik). Vor allem Medizinstudierende aus Deutschland stellen die Universitäten bekanntermaßen vor große Herausforderungen. Neben der Überfüllung der Unis sind vor allem die Kosten ein Problem: Da EU-Ausländer den Österreichern gleichgestellt sind, zahlen sie momentan nur dann Studiengebühren von 363,36 Euro, wenn sie die Mindeststudienzeit um mehr als zwei Semester überschritten haben. Nur Drittstaatsangehörige müssen immer noch Gebühren in doppelter Höhe zahlen, Ausnahmen gibt es für Studenten aus Entwicklungsländern.
Gebühren für alle, Stipendien nur für manche
Obwexer hat nun vorgeschlagen, für alle (Österreicher und EU-Ausländer) gleich hohe Studiengebühren einzuheben. Parallel dazu sollen aber Stipendien ausgezahlt werden - analog zur geplanten weißblauen KFZ-Steuer können die Länder deren Höhe und Auszahlungsmodalitäten selbst festlegen, erklärte Obwexer. Zwar sind auch in diesem Bereich Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten, jedoch erlaubt der Europäische Gerichtshof den Staaten, dass Förderungen nur Studierenden ausbezahlt werden, die "gut integriert" sind. Das könnten Studierende sein, die mindestens fünf Jahre vor Antragstellung ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten, die hier arbeiten oder Steuern zahlen.
Das sogenannte Residenzprinzip führt auch Heinz-Rudolf Miko, Sprecher der Ständigen Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, an. Er glaubt, dass die Bayern mit ihrer Idee einer Ungleichbehandlung von Menschen mit und ohne sogenannten Steuerwohnsitz in Deutschland wohl durchkommen könnten. Tauschen wir also Autobahn- gegen Studiengebühren? "Obwexers Idee sehe ich eher sehr problematisch", meinte Miko. Denn anders als in Bayern, wo die Menschen Maut zahlen sollen, die nicht im Land ansässig sind, wohnen alle in Österreich Studierenden in der Regel auch hier. "Das wäre sicher keine einfache Regelung", sagte Miko.
Selbst Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, bekanntermaßen ein glühender Verfechter von "moderaten Studiengebühren" und ausgewogenen Stipendien, antwortete ausweichend: Das von Obwexer ins Spiel gebrachte Prinzip der Ansässigkeit ist für ihn "jedenfalls beim Thema Unizugang relevant". Ob die Idee auch in Sachen Studiengebühren anwendbar wäre, "ist in mehrfacher Hinsicht zu prüfen", meinte Töchterle in einer Stellungnahme.
Und für die Einheimischen-Karten braucht man gar nicht erst Morgenluft zu schnuppern: Die Ausnahme, die der EuGH für Stipendien definiert, wurde durch die ansonsten entstehende "übermäßige Belastung" für den Staat gerechtfertigt. Und diese sei bei Museumseintritten oder Ähnlichem nicht gegeben, so Obwexer. Allerdings können gewisse Regeln aufgestellt werden, die nicht von der Staatsbürgerschaft abhängen, erklärte Miko: Pensionistenvergünstigungen müssen für alle Rentner - also auch EU-Ausländer - gelten. Koppelt man diese aber etwa an einen Steuerbescheid, dann ist diese Einschränkung laut Miko erlaubt.