Krisenbank sollte wegen Südosteuropa aufgefangen werden. | Keine Gefahr neuer Blasen durch starken Aufschwung an Börsen. | "Wiener Zeitung": Bis dato hat die Bayerische Landesbank vergeblich um einen österreichischen Rettungsbeitrag für ihre Tochter Hypo Alpe-Adria gerungen. Ist die Hypo überhaupt eine systemrelevante Bank?
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Herbert Stepic: In Österreich ist sie vor allem eine Regionalbank. Österreich könnte sehr wohl auch ohne die Hypo Alpe-Adria leben. Aufgrund der Bankendichte könnten andere Institute diese Funktion der Kundenbetreuung übernehmen. In einigen Ländern Südosteuropas ist die Hypo aber ein wesentlicher Spieler. In Kroatien, Serbien und Bosnien etwa hat sie Marktanteile von 10 Prozent und mehr. Daher muss man da besonderes Augenmerk walten lassen.
Heißt das, dass die Bank aufgefangen werden soll?
Grundsätzlich ja. Beim Auffangen einer Bank geht es schließlich immer darum, zu verhindern, dass Einleger zu Schaden kommen. Dabei ist völlig egal, ob die Bank Hypo Alpe-Adria oder anders heißt. Jede Beunruhigung der Märkte im Bankgeschäft ist schlecht - vor allem in der aktuellen Krisensituation. Wenn jetzt noch ein Ausfall einer Bank dazukäme, wäre das für die Branche durchaus negativ.
Wie wird der Hypo-Streit zwischen Bayern und Österreich ausgehen?
Wahrscheinlich wird es nach guter, alter österreichischer Tradition zu einem Kompromiss kommen. Dass es für den Finanzminister verkraftbar ist, der alleinige Retter des Instituts zu sein, kann ich mir nicht vorstellen, vor allem wenn drei respektable Aktionäre (BayernLB, Land Kärnten und Grazer Wechselseitige, Anm.) da sind. Die Lösung wird nur zu finden sein, wenn sich alle zusammensetzen und versuchen, einen Kompromiss zu finden.
Themenwechsel: Viele Banken sitzen derzeit auf billigem Geld und spekulieren bei Aktien, Rohstoffen und sogar strukturierten Finanzprodukten wieder munter drauflos, als hätten sie nichts aus der Krise gelernt. Macht Ihnen das Sorgen?
Dass es Banken gibt, vor allem am Londoner Platz, die die bestehende Liquidität ausnutzen, um wieder stärker in Börsentitel zu investieren oder auch derivative Transaktionen versuchen, dem will ich nicht widersprechen. Aber ich sehe hier keinen massiven Trend. Wenn sich Investmentbanken oder Fonds wieder mit Börsentiteln beschäftigen, ist das nicht negativ. Hier findet nur ein gewisser Aufholprozess statt, viele dieser Titel sind aufgrund der Krise weit unter ihren inneren Wert gesunken.
Es ist auch klar, dass Fonds, die ein Jahr hindurch wegen der allgemeinen Verunsicherung so gut wie nichts investiert haben, dann, wenn sie Licht am Ende des Tunnels sehen, wieder mit Investitionen beginnen. Dass es nach diesem enormen Investitionsrückstau zu einer deutlichen Marktbelebung gekommen ist, folgt den Grundgesetzen von Angebot und Nachfrage.
Was das Entstehen neuer gefährlicher Blasen aber nicht ausschließt.
Wir haben einen starken Aufschwung an den Börsen erlebt, ich sehe jedoch keine blasenhaften Entwicklungen. Die Märkte sind nach wie vor zu verunsichert, um einseitig ausschließlich auf steigende Preise zu setzen.
Kritische Beobachter meinen, dass der aufkeimende Konjunkturoptimismus, der zuletzt wieder eingesetzt hat, die Bereitschaft zu Regulierungen im Banksektor bremsen könnte. Glauben Sie das auch?
Das glaube ich nicht. Es ist ein Faktum, dass sich die politischen Entscheidungsträger international um Lösungen bemühen. Dass das extrem mühsam ist, war von Beginn an klar, weil es starke Eigeninteressen zwischen Kontinentaleuropa sowie den USA und Großbritannien gibt.
Ich bin überzeugt, dass wir eine Verschärfung der Regularien erleben werden; was das Eigenkapital, Banker-Boni, aber auch das Einschließen bisher unregulierter Marktteilnehmer - ich meine Hedgefonds - betrifft. Letzteres ist für mich überhaupt am allerwichtigsten, weil das ein großer Teil des Marktes mit 1,7 Billionen Dollar (mehr als 1,1 Billionen Euro, Anm.) ist. Wesentlich ist auch, dass man ein Krisen-Frühwarnsystem beim Internationalen Währungsfonds und bei der Europäischen Zentralbank errichtet.
Um Kompromisse zu finden und das alles legistisch umzusetzen, braucht es aber vor allem Zeit. Globale Regelungen haben nur dann einen Sinn, wenn sie wirklich global sind.
Die Raiffeisen International hat in Osteuropa so wie viele ihrer Konkurrenten mit herben Kreditausfällen zu kämpfen. Für wann erwarten Sie da den Höhepunkt?
Das zu fixieren ist schwierig, weil die Entwicklung in den einzelnen Märkten unterschiedlich ist. Für uns ist aber wesentlich, dass sich die Zuwächse bei notleidenden Krediten in nahezu allen Märkten mittlerweile abflachen. Nächstes Jahr werden wir zwar noch Steigerungen sehen, aber die Dynamik wird von Monat zu Monat deutlich abnehmen.
In den ersten drei Quartalen 2009 ist das Ergebnis der Raiffeisen International auf 156 Millionen Euro eingebrochen. Geht sich im Gesamtjahr ein Gewinn aus?
Ich habe das ganze Jahr über keine Prognose abgegeben und werde das auch jetzt nicht tun. Was aber nach wie vor gilt: Wir setzen alles daran, auch das heurige Jahr positiv abzuschließen.
Die Krise hat im Bankgeschäft vieles auf den Kopf gestellt. Welche Kapitalrenditen sind in Osteuropa künftig möglich?
In den Jahren vor der Krise hatten wir Renditen von rund 25 Prozent. Für die Zukunft sind solche Renditen Illusion. Die Refinanzierung ist wesentlich teurer geworden, auch das Eigenkapital - die Mindestanforderungen dafür werden höher - wird wesentlich teurer, als es vorher war. Wir haben de facto zahlreiche Verteuerungseffekte durch die Krise und die Umstellung auf Basel II (strengere Eigenkapitalvorschriften, Anm.) . In unserem Geschäft sind künftig Renditen von durchschnittlich 15 Prozent realistisch.
Der einstige Ertragsboom im Osten ist also ein für allemal vorbei.
Der Begriff Ertragsboom ist relativ zu sehen. Das Entscheidende ist, und das ist der Vorteil eines "Emerging Markets Europe": Um wie viel bleiben die Ertragschancen in Zentral- und Osteuropa höher als in Westeuropa? Und da sehe ich nach wie vor deutliche Differenzierungen zu Gunsten der Ostmärkte. Alleine was das Wirtschaftswachstum betrifft, rechne ich wieder mit einem Abstand von zwei Prozentpunkten und mehr in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren. Man darf nicht vergessen, dass Zentral- und Osteuropa aufgrund des Nachholbedarfs nach 50 Jahren Kommunismus einen natürlichen Bedarf hat. Anders als in westlichen Märkten müssen keine Anstrengungen unternommen werden, um Bedarf zu wecken. Der ist einfach da.
Heißt das auch, dass die Raiffeisen International schon bald in die Fußstapfen der UniCredit-Gruppe tritt und mit einem Ausbau des Filialnetzes wieder zu expandieren beginnt?
Wir haben den Prozess, uns breiter aufzustellen, nie unterbrochen. Dazu gehört auch, dass wir heuer ein Zehntel unserer rund 3100 Filialen ausgetauscht, also restrukturiert und an neuen Orten eröffnet haben. Außerdem haben wir die Geschäftsstellen von gekauften Banken modernisiert. Die Anzahl der Filialen haben wir heuer zwar alles in allem um 23 reduziert. Während hauptsächlich in der Ukraine Filialen zugesperrt werden mussten, haben wir in anderen Ländern aber neue Filialen aufgebaut.
Sind Sie an Zukäufen interessiert?
Wir sind in der angenehmen Situation, im Vergleich zu unseren Mitbewerbern das größte Filialnetz in Zentral- und Osteuropa zu haben. Abgesehen davon, dass es kaum ein Angebot an guten Banken gibt, haben wir auch deshalb kein Interesse an Zukäufen, weil uns das wirtschaftlich nichts bringen würde. Wenn wir jederzeit die Möglichkeit eines organischen Wachstums haben, ist das viel billiger, viel effizienter und viel rascher machbar.
Zur Person
Bei den Auslandsgeschäften Raiffeisens zieht Herbert Stepic bereits seit 22 Jahren an federführender Stelle die Fäden. Bisher hat der lang gediente Top-Banker in 17 Ländern Zentral- und Osteuropas das Giebelkreuz-Logo etabliert.
Getrieben vom Geist eines Pioniers, hat der am 31. Dezember 1946 geborene Stepic mit der Ostbankenholding Raiffeisen International ein weit verzweigtes Filialnetz bis tief nach Russland gespannt. Im Osten verfügt Raiffeisen derzeit über rund 15 Millionen Kunden und ein Bilanzvolumen von 77,5 Milliarden Euro.
Das Meisterstück seiner 36-jährigen Bankerkarriere im Raiffeisen-Sektor lieferte der promovierte Handelswissenschafter im April 2005 mit dem Börsengang der Raiffeisen International, die er seit acht Jahren als Vorstandsvorsitzender lenkt. Neben dieser Funktion ist der gebürtige Wiener auch Vize-Chef des Mutterhauses, der Raiffeisen Zentralbank.