Überaus zufrieden zog Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gestern eine positive Bilanz über die beim EU-Gipfel in Nizza erzielten Verhandlungsergebnisse. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ist es ein großes Anliegen, dass Österreich nicht hinter andere vergleichbare Länder in der Union zurückfalle.
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Es sei gelungen, die Rechte der EU-Kommission zu stärken, resümierte Schüssel. Bei der Stimmengewichtung habe es "ein enormes Tauziehen" gegeben, das erreichte Ergebnis liege in der Mitte. Hier zollte Schüssel seinem belgischen Amtskollegen Guy Verhofstadt für dessen "Hartnäckigkeit" Lob. Kleine Staaten wie Belgien, Österreich, Portugal und Finnland hatten am Schluss eine bessere Stimmgewichtung erwirkt, die sich auch für die Beitrittskandidaten positiv auswirkte (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Im EU-Parlament habe Österreich nun ein Maximum von 17 Abgeordneten. Als besonders wichtig erwähnte Schüssel in seiner Bilanz den Artikel 7: Nach den Maßnahmen gegen die Regierung, die die EU-14 bilateral ausgesprochen hatten, sieht der Artikel 7 nun bei Grundwerteverletzungen eine Anhörung der betroffenen Länder und eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs vor. Die Bestimmung wird daher inoffiziell liebevoll als "Ösi- Paragraf" bezeichnet.
In essenziellen Sektoren wie der Wasserbewirtschaftung und der Asyl- und Flüchtlingspolitik habe Österreich seine Positionen durchgesetzt, unterstrich Vizekanzlerin Riess-Passer. Ähnlich das Resümee von Außenministerin Ferrero-Waldner. Kleine und mittlere Staaten hätten in der EU weiterhin Gewicht. Vorangekommen sei man auch in der Verteidigungspolitik und in der verstärkten Zusammenarbeit, so Schüssel. Insgesamt positiv gestimmt über das Erreichte, monierte der Kanzler dennoch eine "Tendenz, Erfolge kleinzureden". Das hatte Finanzminister Karl-Heinz Grasser getan, indem er vor der Ministerratssitzung meinte, in Nizza sei - "wie von der französischen Präsidentschaft nicht anders zu erwarten" - der große Schritt für die Weiterentwicklung der EU nicht gelungen.
EU-Kommissar Fischler hätte sich von dem neuen EU-Vertrag weiter gehende Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit gewünscht. Aber es sei normal, dass nach so umfassenden Verhandlungen wie in Nizza "nicht alle hundertprozentig zufrieden" seien. Nizza habe jedenfalls gezeigt, dass Österreich "wieder voll mitmischt".