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Österreich nahm Abschied von Waldheim

Von Mathias Ziegler, WZ Online

Politik

Schönborn:"Versöhnung hat Vorrang vor allem" | Fischer: Waldheim als Projektionsfläche | | Wien. Der am 14. Juni verstorbene Alt-Bundespräsident Kurt Waldheim ist am Samstag zu Grabe getragen worden. Zunächst war der 88-jährig Verstorbene im Wiener Stephansdom aufgebahrt worden.


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Der Andrang hielt sich in der Früh zunächst in Grenzen: Hatten sich etwa seinerzeit vor der Begräbnismesse des verstorbenen Kardinals Florian König oder des Bundespräsidenten Thomas Klestil die Massen vor dem Dom gedrängt, so trafen diesmal jene, die sich zwischen 8.30 und 9.30 Uhr vom Alt-Präsidenten Waldheim verabschieden oder am Gottesdienstes um 10 Uhr teilnehmen wollten, vergleichsweise spärlich ein. Zwischen den echten Trauergästen tummelten sich auch Schaulustige, die "halt auch einmal den Waldheim sehen wollten", wie es eine Mittvierzigerin in kurzem weißem Rock und rosa Trägerleibchen formulierte. Sie wirkte fast ein bisschen enttäuscht, dass der geschlossene Sarg mit der Flagge der Republik abgedeckt war.

Auch wenn es letztlich dann doch nicht so wenige Besucher im Dom gewesen sein dürften - immerhin wurden binnen einer Stunde sechs Kondolenzbücher vollgeschrieben, konnte man sich doch eine Viertelstunde vor Beginn der Begräbnismesse noch aussuchen, wo man sitzen wollte. Wie zwiespältig das Verhältnis der internationalen Politik zu Waldheim zeit seines Lebens gewesen war, zeigte sich auch bei den ausländischen Messbesuchern. Neben zahlreichen österreichischen Politikern standen nur Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein, der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder, das diplomatische Corps sowie Regierungsvertreter aus Tschechien und dem Iran auf der offiziellen Gästeliste. Auch zahlreiche Vertreter der katholischen Kirche und anderer Konfessionen waren erschienen.

Versöhnung als Botschaft

Waldheims umstrittene Vergangenheit bei der Wehrmacht und der Umgang damit standen auch im Fokus der Begräbnismesse. Im Brief des Apostels Paulus an die Epheser ging es nicht von ungefähr um Wahrheitsfindung und Versöhnung. Und auch das Evangelium aus der Bergpredigt Jesu forderte: "Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm auf dem Weg zum Gericht bist." Und: "Versöhnung hat Vorrang vor allem", betonte auch Kardinal Christoph Schönborn in seiner Predigt. "Kurt Waldheim stand mit seiner Aufgabe als Friedenssucher wie kaum ein zweiter im Kreuzfeuer einer menschlichen Grundsatzfrage: Wie viel Bewahren und wie viel Vergessen der Mensch braucht." Im ewigen Leben, an das er geglaubt habe, werde Waldheim sein vielgeliebtes Österreich jedenfalls sicher nicht vergessen, so der Kardinal. "Führe unseren Bruder Kurt zur Vergebung", bat Schönborn.

Auch die amerikanische Botschaft hat in den vergangenen Tagen ein Zeichen gesetzt: Obwohl Waldheim nach wie vor auf der "Watch-List" der USA steht, wurde der Familie kondoliert.

Während des Trauerrequiems wurde auch an Waldheims gute Taten erinnert: Eine jener 93 Geiseln, die Waldheim im Jahr 1990 aus dem Irak befreit hatte, dankte in ihrer Fürbitte ihrem Retter aus der Not.

Und als der amtierende Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Ansprache nach der Kommunion das Lebenswerk seines Vorgängers (1986 bis 1992) würdigte, brach spontaner Beifall im Dom aus. Waldheim habe sich für die Lösung der Südtirol-Frage verdient gemacht und vollen Einsatz in weltpolitisch kritischen Zeiten als UNO-Generalsekretär bewiesen, so Fischer. Er selbst sei dem Alt-Bundespräsidenten für viele gute Gespräche dankbar. "Und ich kann so wie andere bezeugen, wie sehr er sich immer wieder mit den Fragen auseinandersetzte, die Anlass für heftige Kontroversen im In- und Ausland um seine Person waren. Kurt Waldheim hat es verdient, dass man sein Lebenswerk würdigt und außer Streit stellt, was nicht bestritten werden kann", mahnte der Bundespräsident zur posthumen Versöhnung mit der umstrittenen politischen Person.

Und Fischer erneuerte seine Feststellung, "dass dem Präsidenten und Menschen Kurt Waldheim Unrecht geschehen ist, wenn ihm Handlungen bis hin zu Kriegsverbrechen angelastet wurden, die er nicht begangen hat. Er wurde zu einer Projektionsfläche für unser schlechtes Gewissen im Umgang mit der Vergangenheit und für manche unbeantwortet gebliebene Frage von Kindern und Enkeln an ihre Väter und Großväter."

Möglich, dass die "Pflichterfüllung", auf die sich Waldheim in Bezug auf seinen Wehrmachtsdienst berufen hatte, fragwürdig gewesen sei, so Fischer. Aber er erinnerte auch daran, dass beispielsweise die Witwe von Franz Jägerstätter, der kommenden Oktober für seine Wehrdienstverweigerung selig gesprochen wird, lange Zeit keine Witwenpension erhielt, weil ihr Ehemann seine "Pflicht" nicht erfüllt hatte.

Der Bundespräsident räumte aber auch ein, dass "der verstorbene Kurt Waldheim dazugelernt hat: Er bekannte Fehler ein. Er hat seine Hand in Richtung seiner Kritiker und Gegner ausgestreckt und Versöhnung angestrebt. Ich plädiere dafür, diese Hand nicht auszuschlagen und die menschliche Größe dieser Geste in vollem Umfang anzuerkennen". Und Fischer forderte weitere ernsthafte und gemeinsame Anstrengungen für eine um Objektivität bemühte Aufarbeitung der Geschichte "mitsamt ihrer Grauzonen". Alle Teile des Lebensweges Waldheims sollten "in gerechter Relation zusammengesetzt werden, seine bleibenden Verdienste und die Liebe zu Österreich dürfen nicht an den Rand gedrängt werden".

Letztes Geleit zur Präsidentengruft

Nach Fischers Bitte, "den großen Österreicher versöhnt zu seiner letzten Ruhestätte zu begleiten", wurde der Verstorbene, begleitet vom Läuten der Pummerin, auf den Stephansplatz hinausgetragen, wo sich mittlerweile eine Menschenmenge versammelt hatte. Von dort ging es zunächst zum nahen Ballhausplatz, wo eine offizielle Gedenkminute abgehalten wurde. Damit sollte erinnert werden, dass Kurt Waldheim hier 1945 seine politische Laufbahn begonnen hatte. Danach verabschiedeten die Vereinten Nationen ihren ehemaligen Generalsekretär Waldheim (1971 bis 1982) in der UNO-City, ehe um 14 Uhr die Trauerfeierlichkeiten auf dem Zentralfriedhof begannen. Dort wurde der Alt-Präsident mit allen militärischen Ehren von der Republik Österreich verabschiedet und von Kardinal Christoph Schönborn in der Präsidentengruft eingesegnet. Nicht nur die Familie nahm Abschied, sondern auch Tiroler und Südtiroler Schützenverbände sowie die katholische Studentenverbindung Comagena Tulln, wo Waldheim im Oktober 1933 Gründungsmitglied gewesen war. Auch zahlreiche Privatpersonen waren gekommen, um ihrem ehemaligen Bundespräsidenten das letzte Geleit zu geben.

Für sein Begräbnis hatte Waldheim selbst verfügt, dass niemand besonders eingeladen, aber auch niemand abgewiesen werden sollte. Begleitet von der österreichischen Bundeshymne wurde Kurt Waldheim schließlich dort beigesetzt, wo schon seine verstorbenen Amtsvorgänger Karl Renner, Theodor Körner, Adolf Schärf, Franz Jonas, Rudolf Kirchschläger und Thomas Klestil bestattet wurden.