Zum Hauptinhalt springen

Österreich nicht Teil der Koalition der Willigen

Politik

Deutschland will zusammen mit anderen EU-Staaten bis zu 1500 Flüchtlingskinder aus Griechenland aufnehmen. In Österreich drängen die Grünen auf eine Beteiligung, die ÖVP ist jedoch strikt dagegen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das heikle Thema schien eigentlich schon erledigt – zumindest aus Sicht der ÖVP. Denn bereits kurz nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Grenzen seines Landes für geöffnet erklärt hatte, hat auch die Kanzlerpartei nochmals Pflöcke eingeschlagen. Und auf den Vorstoß von Vizekanzler Werner Kogler, doch zumindest Frauen und Kinder aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern zu holen, folgte damals eine ebenso rasche wie auch deutliche Absage. "Wir haben im Koalitionsabkommen klar festgelegt, dass es keine explizit neue Migrationswelle nach Österreich geben soll", sagte Innenminister Karl Nehammer im Fernsehsender "Puls24".

Doch so schnell wie von der ÖVP erhofft, ist die Diskussion über die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen nicht verschwunden. Denn mittlerweile hat sich mit Deutschland nicht nur ein zentrales EU-Land dazu bekannt, einige hundert Kinder aus Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen. Die Regierung in Berlin will auch eine Koalition der Willigen formen, deren Mitglieder dann ebenfalls einen "angemessenen Anteil" übernehmen. Insgesamt sollen so 1000 bis 1500 Kinder Aufnahme in Staaten der EU finden. Er werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass "wir hier gemeinsam mit anderen EU-Staaten schnell zu einer tragfähigen europäischen Lösung kommen", sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU), der die Frage "nicht in Monaten, sondern in Wochen" gelöst haben will. Erste Länder hätten bereits ihre Bereitschaft erklärt.

"Koalition wird halten"

In Österreich war die Debatte allerdings schon unmittelbar vor der deutschen Entscheidung wieder hochgekocht – ohne dass es zu einer Annäherung der Koalitionspartner gekommen wäre. Ebenso wie zuvor Kanzler Sebastian Kurz lehnte Integrationsministerin Susanne Raab in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" die von den Grünen geforderte Aufnahme von Kindern erneut strikt ab. Schließlich sei Österreich in der Flüchtlingskrise 2015 das Land gewesen, das in Europa noch vor Deutschland am zweitmeisten gefordert war. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hatte dagegen vehement für eine Aufnahme plädiert. "Wenn sich die Zustände dort nicht bald bessern, haben wir eine Verantwortung, die Kinder dort aus dem Schlamm zu holen", sagte Maurer.

Die Gefahr, dass die Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingskindern sich zur ersten Koalitionskrise auswächst – im Regierungsübereinkommen haben Türkis und Grün für den Fall einer neuen Flüchtlingskrise ja sogar einen koalitionsfreien Raum vereinbart –, sehen ÖVP und Grüne allerdings derzeit nicht. Die Koalition werde halten, betonten Raab und Maurer.

Differenzen in der Flüchtlingsfrage gibt es derzeit aber nicht nur innerhalb der Regierung. In der Migrations- und Asylpolitik scheiden sich auch in der SPÖ einmal mehr die Geister. So drängt Parteichefin Pamela Rendi-Wagner auf eine einheitliche EU-Linie und kann sich in diesem Zusammenhang auch die Aufnahme von Kindern vorstellen. Niederösterreichs Landesparteivorsitzender Franz Schnabl fährt eine andere Linie. Er teile die Position von Kanzler Kurz, keine zusätzlichen Flüchtlinge aufzunehmen, meinte der Vize-Landeshauptmann. "Damit hört es sich mit Gemeinsamkeiten aber auch schon wieder auf", fügte er hinzu.

Kaiser für Aufnahme

Ganz anders ist die Meinung von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. Der SPÖ-Politiker hat sich am Montag vor Journalisten für die Aufnahme von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen aus den griechischen Lagern ausgesprochen. Zuvor müssten aber die entsprechenden rechtlichen Grundlagen für diese Aufnahme geschaffen werden. Kaiser nannte den deutschen Vorstoß als Orientierung. Eine Anzahl, wie viele Kinder Österreich oder Kärnten aufnehmen solle, nannte Kaiser allerdings auch auf Nachfrage nicht. Man solle jetzt nicht über Zahlen, über Frauen und Kinder sprechen, meinte Kaiser. Es gehe um den prinzipiellen Zugang, dass ein Europa von 27 Staaten angesichts der Situation einen rechtskonformen Zustand herstellen müsse, der es erlaube, diesen Kindern zu helfen.

Einig scheint man sich in der österreichischen Politik damit derzeit nur in einem Punkt zu sein. Vom türkischen Präsidenten, der am Montagabend in Brüssel mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel zu Gesprächen zusammengetroffen ist, will man sich keinesfalls erpressen lassen.  (rs/ett)