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Dem italienischen Kompromissvorschlag in Sachen Beistandsverpflichtung sei Dank - erstmals seit Jahren zeichnet sich in Österreich so etwas wie ein innenpolitischer Konsens in Fragen der Sicherheitspolitik ab. Wie fragil dieser jedoch nach wie vor ist, zeigt sich, sobald die Rede auf die Rolle und den künftigen Stellenwert der österreichischen Neutralität kommt.
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Der Kompromiss, den die italienische EU-Präsidentschaft vorgelegt hatte, nimmt auf die Bedenken der neutralen bzw. blockfreien Staaten - neben Österreich sind dies Schweden, Finnland und Irland - Rücksicht, indem er zwar an der Formulierung der gegenseitigen Beistandspflicht festhält, dem jedoch noch folgenden Passus anhängt: "Das berührt nicht den spezifischen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten."
Für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel handelt es sich dabei um eine "interessante Formulierung". Denn damit wäre sowohl die Beistandsgarantie als auch die Möglichkeit einer Nichtbeteiligung an Militäreinsätzen wie jenem im Irak gewährleistet, erklärte der Kanzler am Donnerstag gegenüber dem ORF-Radio.
In die "richtige Richtung" geht der italienische Textvorschlag auch für SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, wie er am Donnerstag anlässlich einer Pressekonferenz in Wien erklärte. Wenngleich er sich im Text die Berücksichtigung der "besonderen verfassungsrechtlichen Tradition" der Mitgliedsstaaten wünscht. Dies vor allem um sicher zu gehen, dass tatsächlich an der österreichischen Neutralität nicht gerüttelt werden könne. Auch auf mehrmaliges Nachfragen hin wollte sich Gusenbauer allerdings nicht festlegen lassen, ob im Falle eines Beschlusses des italienischen Textvorschlages beim Brüsseler EU-Gipfel die Neutralitätsbedenken der SPÖ beseitigt wären.
Von Beginn an hatte die FPÖ die geringsten Probleme mit einer Beistandspflicht. Am Donnerstag nun präsentierte FPÖ-Klubchef Herbert Scheibner sogar einen eigenen Textvorschlag. Dieser weist starke Parallelen zum italienischen Entwurf auf und betont eine Bedachtnahme auf die nationalen Bestimmungen der einzelnen Staaten. Darin wird auch ein einstimmiger Beschluss des EU-Ministerrats darüber gefordert, "welche Maßnahmen zum Zwecke der Sicherung der Union und ihrer Mitgliedsstaaten erforderlich sind".
Noch mit der internen Diskussion beschäftigt sind in dieser Frage die Grünen. Sicherheitssprecher Peter Pilz meinte im ORF zur Beistandspflicht: Diese sei "ja überhaupt keine Vorbereitung auf den Dritten Weltkrieg in Europa", sondern ein Mittel, um den östlichen Ländern "das notwendige Maß an Sicherheit" zu geben, damit die USA Europa in der Sicherheit nicht weiter spalten könne. "Selbstverständlich" bleibe die Neutralität der "Verfassungsriegel gegen ein Abrutschen in die NATO, aber sie soll so modifiziert werden, dass wir uns innerhalb der EU an der vollen Solidarität und an keiner eingeschränkten Solidarität beteiligen können".
Die Replik der außenpolitischen Sprecherin Ulrike Lunacek: Pilz betreibe "militärische Sandkastenspiele". Eine "innovative Idee" nannte Bundessprecher Alexander Van der Bellen die Aussagen Pilz', "auch wenn das nicht der Parteilinie entspricht".