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Österreich ratifiziert die EU-Verfassung

Von WZ Online

Europaarchiv

Der Nationalrat hat wie erwartet grünes Licht für die EU-Verfassung gegeben. Die Ratifizierung erfolgte nahezu einstimmig - einzig die stellvertretende FP-Obfrau Barbara Rosenkranz votierte am Mittwoch gegen das Vertragswerk. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) sprach von einem "vorläufigen Höhepunkt" im europäischen Einigungsprozess.


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SP-Chef Alfred Gusenbauer sieht eine "Chance": "Diese europäische Verfassung ist allemal besser als das bisherige Vertrags-Europa."

Die Verfassung ersetzt die bisherigen EU-Verträge und bringt unter anderem eine Erweiterung der Kompetenzen der Union, mehr Rechte für das EU-Parlament, eine verstärkte Zusammenarbeit in allen Bereichen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie ab 2014 eine Verkleinerung der Europäischen Kommission. Zudem wird das Amt eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates geschaffen. Mehrheitsentscheidungen im Rat werden (gegenüber einstimmigen Entscheidungen) ausgeweitet.

Bei den meisten Abstimmungen im Rat gilt künftig die "doppelte Mehrheit": Ein Beschluss auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission wird gefasst, wenn 55 Prozent oder mehr der Mitgliedstaaten, mindestens aber 15 Länder zustimmen. Diese müssen außerdem jedenfalls 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Eingeführt werden Bürgerbegehren: Wenn eine Million Bürger aus EU-Ländern mit Unterschriften ein Gesetz verlangen, muss die Kommission tätig werden und einen Vorschlag machen. Auch die Möglichkeit eines Austritts aus der Union wird geschaffen.

In der dreineinhalbstündigen Debatte legten alle Fraktionen ein klares Bekenntnis zur EU ab, lobten das "Friedensprojekt Europa" und bekannten sich - wenn auch ohne all zu viel Euphorie - zur EU-Verfassung. Österreich brauche ein starkes Europa und "ein starkes Europa braucht eine Verfassung", verkündete etwa ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer. Für Vizekanzler Hubert Gorbach bringt die Verfassung mehr Demokratie und soziale Rechte. "Dass das auch ein Kompromiss ist, das ist klar."

Ähnlich Grünen-Chef Alexander Van der Bellen: Bei Abwägung der Vor- und Nachteile sei "ein klares Ja" zur EU-Verfassung angebracht. Eine "neoliberale Schlagseite" könne er an der EU-Verfassung nicht erkennen, betonte der Grünen-Chef und verwies auf die darin verankerten sozialen Grundrechte. Kritik der Opposition setzte es an der aus Sicht von SPÖ und Grünen unzureichenden Information der Regierung über die EU-Verfassung. Van der Bellen: "Ja, die war miserabel."

Nur noch ein Randthema war bei der Nationalratsdebatte die Frage, ob eine Volksabstimmung zur EU-Verfassung auch in Österreich nötig ist, oder nicht. ÖVP, SPÖ und Grüne wollten ja nur ein gesamteuropäisches Referendum akzeptieren und auch das BZÖ hat seine Forderung nach einer nationalen Volksabstimmung mittlerweile hintangestellt. Klubchef Herbert Scheibner: "Wenn man heute darüber diskutiert, dann kommt das zu spät." Ein Rosenkranz-Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung wurde nicht zugelassen.

Rosenkranz nannte das fehlende Referendum denn auch als Begründung für ihre Gegenstimme zur EU-Verfassung. Andere FP-treue Abgeordnete wie Reinhard Eugen Bösch und Dieter Böhmdorfer stimmten dagegen gemeinsam mit den Kollegen von ÖVP, SPÖ, BZÖ und Grünen für das Vertragswerk.

Österreich ist das siebente Land innerhalb der EU, das den Weg für die EU-Verfassung frei gemacht hat. Offiziell muss jetzt nur noch der Bundesrat am 25. Mai zustimmen.

In Spanien haben bereits im Februar zwei Drittel der Bevölkerung in einem Referendum für die Verfassung votiert. In Litauen, Ungarn, Slowenien, Italien und Griechenland erfolgte die Ratifizierung wie in Österreich ohne Volksabstimmung durch das Parlament. In der Slowakei wurde der Parlamentsbeschluss noch für Mittwoch erwartet. In Deutschland beginnen die parlamentarischen Verhandlungen am Donnerstag.

In Kraft treten kann die europäische Verfassung allerdings erst, wenn alle 25 EU-Staaten zugestimmt haben. Als Risikofaktoren gelten die neun noch ausstehenden Volksabstimmungen, etwa in Frankreich, den Niederlanden und Dänemark. Die erste Zitterpartie droht in Frankreich - am 29. Mai.