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Steuer-Balance über Vermögen? | Regierung: Reform erst im Wahljahr. | Wien/Paris. Der Tadel kommt diesmal von außen. Die von der Regierung beschlossene Abschaffung der Erbschaftssteuer sowie die ebenso angepeilte ersatzlose Streichung der Schenkungssteuer "sollte überdacht werden", betont die OECD in ihrem jüngsten Österreich-Bericht.
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Denn das Land brauche jeden Euro, um die notwendigen Strukturreformen durchzusetzen. Und hier sollte man vor allem das System der Steuern verändern - statt Erbschafts- und Schenkungssteuer abzuschaffen, soll das Einkommen entlastet werden. Denn mit einer Steuerquote von 42 Prozent des Bruttoinlandprodukts "ist die Gesamtsteuerbelastung beträchtlich".
Vermögen besteuern
Stattdessen sollte Österreich Anlagevermögen - etwa Grundstücke und Immobilien - stärker besteuern, empfiehlt Jean-Philipp Cotis, Chef-Ökonom der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung. "So könnte man einen sozial ausbalancierten Ausgleich schaffen." Geschehen könnte dies beispielsweise durch die Anpassung der seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angehobenen Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer. Ebenfalls sollten die Verbrauchs- und Umweltsteuern erhöht werden. Letzteres könne auch bewirken, dass Österreich doch noch seine Kyoto-Ziele erreicht. Cotis entschuldigte sich nach der Präsentation noch höflich für seine "Kritik von außen" - "aber wir werden dafür bezahlt, konstruktive Ratschläge zu geben".
Der Österreicher Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo, sieht die nationale Lage allerdings ähnlich: "Die Belastung des Lohns muss bald drastisch zurückgehen." Das könne man aber nur durchsetzen, wenn einige der Steuern, "die nicht verzerren, angehoben werden - und einige nicht auslaufen." Er spricht sich allerdings gegen punktuelle Regelungen aus: "Wir brauchen ein Gesamtkunstwerk. Und wenn die Bevölkerung einen Gesamttrend sähe - nämlich die tendenzielle steuerliche Entlastung - ist sie sicher auch bereit, ein Mehr an Steuern in gewissen Bereichen zu akzeptieren."
Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) nahm im Anschluss an die Präsentation des OECD-Berichts die Anregungen der "renommiertesten internationalen Organisation" dankend an, will aber an der Abschaffung der Erbschaftssteuer nicht rütteln, da sie "ohnehin nur einen kleinen Teil ausmacht."
Die Kritik an der "überproportional hohen Belastung des Faktors Arbeit" werde er allerdings mit Experten diskutieren und verweist auf die geplante Steuerreform im Wahljahr 2010.
Auch Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) glaubt, dass die Steuerentlastung in Österreich bis 2010 warten kann. Dann werde sie allerdings nötig sein - um den Konsum anzukurbeln. Denn zu diesem Zeitpunkt ist die momentane Hochkonjunktur wieder vorbei. Bis dahin will Molterer jeden freien Euro in die Konsolidierung des Haushalts stecken. Der Vizekanzler äußerte offen - und leicht gereizt - eine Ablehnung der OECD-Empfehlungen: "Glauben Sie, wir machen alles, was die OECD vorschlägt?"
Die Vermögenssteuer sei in Österreich Mitte der 90er Jahre nämlich aus gutem Grund abgeschafft worden und sollte abgeschafft bleiben, so Molterer. Auch potenzielle Gelder aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer scheinen ihn nicht zu interessieren: Die Erbschaftssteuer beziehe sich ja auf bereits versteuertes Einkommen und treffe den Mittelstand, außerdem könnte sie ein Hindernis bei Betriebsübergaben darstellen, verteidigte Molterer die von der ÖVP besonders befürwortete Abschaffung. Bei der Schenkungssteuer werde man Instrumente zur Verhinderung von Missbrauch schaffen müssen.
Auch eine andere Anregung will die Regierung entkräftet wissen. Jean-Philipp Cotis empfiehlt nämlich, Kinder so spät wie möglich zu trennen, um Chancengleichheit zu garantieren. Einer Meinung, der sich die beiden heimischen Institute Wifo und das IHS (Institut für Höhere Studien) übrigens vorbehaltlos anschließen. Gusenbauer verweist aber auf das dahingehende Pilotprojekt, das bei der Regierungsklausur beschlossen worden ist.
Lücke bei Pensionen
Einzig die Kritik am Pensionssystem scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen: Denn knapp 40 Prozent der Personen, die 2005 in Frühpension gingen, machten "Invalidität" dafür geltend - ein Anstieg von fünf Prozent in nur drei Jahren. Die OECD sieht darin eine "Lücke" im System. Gusenbauer nennt es zwar ein Phänomen, mit dem alle OECD-Länder kämpfen müssten - der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sei aber dennoch verbesserungswürdig.
Von ÖVP-Seite heißt es, dass Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) ohnedies bereits an einer genaueren Prüfung der Invaliditätspensionen arbeite.