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Österreich überlegt, ob es künftig noch mit Ratingagenturen spricht

Von Hermann Sileitsch und Stefan Melichar

Wirtschaft

Regulierung auf EU-Ebene schafft neue Voraussetzungen. | Staatsschulden- Manager prüfen Klage wegen fauler Wertpapiere. |
§§"Wiener Zeitung": Österreich gilt bei allen großen Ratingagenturen als Schuldner mit bester Bonität, warum verhandelt die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) derzeit mit den Ratingfirmen über neue Verträge? *


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Martha Oberndorfer: Auf europäischer Ebene ist ein neues regulatorisches Umfeld in Ausarbeitung. Künftig müssen Ratingagenturen klar erkenntlich machen, ob sie ihre Einschätzungen ohne Hintergrundwissen und aus eigenem Antrieb erstellen oder im Auftrag und mit Hilfe von direkten Informationen der geprüften Institution. Wir haben bis jetzt den Weg gewählt, den Ratingagenturen Fakten aus erster Hand zu ermöglichen, und sind als Anleihenemittent auch für Ratinggespräche zur Verfügung gestanden. Nun überlegen wir, welche Vorgehensweise in Zukunft die bessere ist.

Würde die Bundesfinanzierungsagentur keine Ratings mehr in Auftrag geben, könnte sie sich einiges an Gebühren ersparen.

Die jährlichen Kosten für die Ratings liegen bei gerade einmal 0,0002 Prozent des gesamten von uns verwalteten Staatsschuldenportfolios ( von 176 Milliarden Euro wären das rund 350.000 Euro, Anm. ). Ich habe es in den vergangenen Jahren als positiv empfunden, im direkten Gespräch mit den Agenturen unsere Strategie darzulegen. Sonst besteht die Gefahr, dass einzelne, wichtige Aspekte übersehen werden.

Dennoch wollen Länder wie Deutschland oder Frankreich vorerst nicht mit den Agenturen kooperieren. Sie nehmen in Kauf, dass Investoren die Ratings dann als oberflächlich werten. Könnte Österreich das nicht auch riskieren?

Eine Bonitätseinschätzung für die Republik würde wahrscheinlich ohnehin vergeben, nicht jedoch für einzelne Anleiheemissionen. Je nachdem, wie streng institutionelle Anleger ihre internen Investitionsrichtlinien handhaben, könnte es dann passieren, dass es weniger Abnehmer für österreichische Staatsanleihen gibt. Das wäre viel teurer als jede Gebühr für Ratingagenturen. Wir müssen uns Vor- und Nachteile gut überlegen.

Die Europäische Zentralbank hat vor wenigen Tagen ihren Leitzins erhöht, weitere derartige Schritte sind zu erwarten. Wie stark erhöht das die Zinsen, die Österreich für seine Staatsschulden bezahlen muss?

Das Schuldenportfolio Österreichs ist sehr konservativ gestaltet - mit einer vergleichsweise langen durchschnittlichen Laufzeit von achteinhalb Jahren und Fixzinssätzen. Von daher schlagen sich Änderungen im Zinsumfeld nicht so stark im bestehenden Schuldenportfolio nieder.

Bereits in den vergangenen Monaten sind die Zinsen für europäische Staatsanleihen deutlich gestiegen. Erwarten Sie durch die Flucht Portugals unter den Euro-Rettungsschirm nun eine Beruhigung der Märkte?

Es steht mir nicht zu, Entscheidungen anderer Staaten zu kommentieren. Sicher ist, dass alle Staaten der Euro-Zone zusammenhängen. Der Markt ist insgesamt nervös, in den vergangenen Tagen hat es auch sehr wenig Handel gegeben. Für Österreich ist es jedoch von Vorteil, wenn Investoren stärker differenzieren, da Österreich fundamental gut dasteht.

Die ÖBFA ist vor einiger Zeit in die Schlagzeilen geraten, weil sie 2007 - also noch vor Ihrer Zeit - Geld in später faul gewordenen Wertpapieren angelegt hatte. Zuletzt war noch von einem möglichen Maximalverlust von 330 Millionen Euro die Rede. Wie gestaltet sich die Abwicklung?

Ich kann noch keine Zahl dazu nennen, das, was veröffentlicht worden ist, ist aus meiner Sicht jedoch deutlich zu hoch. Die Restrukturierung ist sehr weit fortgeschritten. Gleichzeitig prüfen wir gemeinsam mit der Finanzprokuratur des Bundes mögliche Schadenersatzforderungen. Wir hoffen, dass wir Mitte des Jahres ein klares Bild haben werden. Wir arbeiten darauf hin, das bestmögliche Resultat zu erzielen, wobei Qualität vor Schnelligkeit gestellt wird.