Zum Hauptinhalt springen

Österreich und Deutschland: Eine Bruchlinie bleibt

Von Alexander Dworzak

Politik

Vor dem Besuch von Österreichs Außenminister Schallenberg bei seinem deutschen Amtskollegen Maas treten die Unterschiede in der Migrationspolitik offen zutage. Bei EU-Erweiterung und Russland-Kurs herrscht aber Konsens.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als "besonders eng und vertrauensvoll" beschreibt das deutsche Außenministerium auf seiner Webseite die politischen Beziehungen der Bundesrepublik zu Österreich. Das gelte "insbesondere für ihre Zusammenarbeit in der EU". Weniger euphorisch klingt die Einschätzung der deutschen Botschaft in Wien, auf deren Internetauftritt ist lediglich von "guten" Beziehungen die Rede.

Die weniger schmeichelhafte Darstellung stammt - wiewohl weiterhin online - aus dem Jahr 2018, als ÖVP und FPÖ in Wien regierten. Wirtschaftlich schlug die Koalition nicht durch, Deutschland ist für Österreich mit großem Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner: Das jährliche Handelsvolumen beträgt rund 100 Milliarden Euro. Aber im Berliner Kanzleramt herrschte Argwohn, regierte doch der zum Chefkritiker von Angela Merkels Migrationspolitik 2015 aufgestiegene Sebastian Kurz mit den umstrittenen Freiheitlichen. Fast vergessen sind heute der Knicks von Ex-Außenministerin Karin Kneissl vor Russlands Präsidenten Wladimir Putin und der Orden des separatistischen Präsidenten der Republika Srpska für Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Im türkis-grünen Regierungsprogramm genießen Europa und die EU nun wieder größeren Stellenwert und dementsprechend wird der Empfang sein, wenn Außenminister Alexander Schallenberg am heutigen Mittwoch in Berlin seinen deutschen Amtskollegen Heiko Maas (SPD) trifft.

Inhaltlich bleiben Wien und Berlin vor allem beim auch emotional aufgeladenen Thema Migration gegensätzlicher Meinung: Dem von Türkis-Blau abgelehnten UNO-Migrationspakt werde auch Türkis-Grün nicht beitreten, stellte Schallenberg rasch klar. Einer Quote zur Verteilung von Asylwerbern in der EU kann er auch nichts abgewinnen. Abgerundet wurde diese Linie, als Kurz Gast beim Gipfel der vier ostmitteleuropäischen Visegrad-Länder war, die eine besonders restriktive Migrationspolitik verfolgen.

Dass zwischen Wien und Berlin mehr als das ominöse Blatt Papier passt, zeigte zuletzt die Diskussion um die Rolle der EU bei der Überwachung des Waffenembargos im Libyen-Konflikt. Nach langen Verhandlungen konnte Deutschland die gewünschte "Grundsatzentscheidung" vermelden. Dafür erhielt Alexander Schallenberg die Zusage, dass die Schiffe wieder abgezogen werden können. Denn bei der Vorgängermission "Sophia" wurden 50.000 Menschen aus Seenot gerettet. Nun betont Schallenberg: "Das Geschäftsmodell der Schlepper wird nicht mehr gefördert."

Derartige Töne demonstrieren den Anspruch, Österreichs Migrationspolitik im EU-Mainstream zu verankern. Noch zu Zeiten des EU-Ratsvorsitzes 2018 wurde die Regierung dafür milde belächelt: "Österreich sitzt in der europäischen Lokomotive, aber in der Lokomotive werden nicht die Weichen gestellt", sagte ein deutscher Diplomat damals augenzwinkernd zum "Handelsblatt".

Eine Perspektive für den Westbalkan

Gemeint waren Frankreich und Deutschland. Bei der EU-Erweiterung am Westbalkan liefen jedoch die Vorstellungen von Paris und Berlin auseinander. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron torpedierte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Österreich kritisierte diesen Schritt vehement, denn das Außenministerium listet bei seinen Schwerpunkten die "Heranführung der Länder Südosteuropas an die Europäische Union" ganz oben - auch im Interesse der heimischen Investoren, allen voran Raiffeisen und Erste Group. Aber auch Maas machte sein Unverständnis über Macron deutlich: "Die Westbalkan-Staaten sind integraler Teil Europas. Ihre Zukunft sollte in der Europäischen Union liegen."

Die Einigkeit zwischen Wien und Berlin könnte beim EU-Budget aber wieder bröckeln. Österreich bildet mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden die "Sparsamen Vier". Sie fordern vor dem EU-Gipfel am Donnerstag, dass der Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 nicht mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung der Unionsländer übersteigt - zwar in Abstimmung mit der deutschen Regierung, aber Teile der SPD stehen höheren Ausgaben offen gegenüber. Zuletzt präsentierte EU-Ratspräsident Charles Michel einen Vorschlag über 1,074 Prozent, der deutlich unter den Vorstellungen von Kommission und EU-Parlament liegt.

Während das Budget für anhaltende Diskussionen sorgen wird, ist es um ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland leise geworden. Die nun oppositionelle FPÖ hat derzeit andere Sorgen, ÖVP und Grüne vertreten die von Merkel vehement verteidigte Sanktionspolitik. Umgekehrt befürwortet die Kanzlerin die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland. Kurz meldet sich hierzu selten zu Wort. Er stellte aber 2018 klar, das Projekt - an dem die teilstaatliche OMV beteiligt ist - sei "energiepolitisch und gesamtwirtschaftlich für uns ein wichtiges und positives".