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Österreich und Europa: Ein Sieg in der Schlacht, aber wer gewinnt den Krieg?

Von Walter Hämmerle

Analysen

Immerhin: Zumindest in der Parlamentsdebatte unmittelbar vor der Ratifizierung des EU-Reformvertrags haben sich SPÖ und ÖVP unter grüner Schützenhilfe mit erkennbarer Leidenschaft in die Schlacht für Europa geworfen. Der Sieg in dieser Runde stand angesichts der Mehrheitsverhältnisse nie in Frage, aber werden diese Parteien auch den Krieg um die Herzen der österreichischen Bürger für die Europäische Union gewinnen?


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Dieser Sieg steht nämlich keineswegs in Stein gemeißelt. Sicher: Der Zulauf zu den Protestaktionen im Zuge der Auseinandersetzung um den Lissabon-Vertrag hielt sich in Grenzen. Auch die Zahl von etwas mehr als 100.000 Unterstützungsunterschriften für eine Volksabstimmung sind angesichts einer in ihrer Intensität bemerkenswerten Kampagne der "Kronen Zeitung" mit ihren drei Millionen Lesern ein höchstens durchschnittliches Ergebnis.

Allerdings: FPÖ, BZÖ, "Krone" und diverse linke Globalisierungskritiker nehmen in ihrer Kritik an der EU ein mächtiges Gefühl in weiten Teilen der Bevölkerung auf. Ein vages Gefühl der Unzufriedenheit mit der EU hat längst von einer stabilen Mehrheit im Land Besitz ergriffen, auch wenn eine mindestens ebenso deutliche Mehrheit von einem Austritt nichts wissen will.

Dieses Meinungsbild verführt zu trügerischer Sicherheit. Im schlimmsten Fall haken die Regierungsparteien die Debatte über Europa nach der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags auf ihrer Agenda ab und kehren zur ihrer bisherigen europapolitischen Strategie zurück, die nach dem Motto funktioniert: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass."

Europa aber wird die Bürger nicht mehr loslassen - und umgekehrt. Dafür werden schon die Unterlegenen der Abstimmung vom Mittwoch sorgen - an Unterstützern wird es ihnen nicht fehlen. Die nächste unsinnige Idee aus Brüssel kommt so sicher wie das Amen im Gebet. Wenn es nicht gelingt, ein politisches Klima für eine sachliche Auseinandersetzung mit der EU zu schaffen, droht eine gefährliche Spaltung der Bevölkerung in eine Minderheit radikaler Gegner Brüssels, der ein Mehrheitsblock antriebsloser Gleichgültiger gegenübersteht. Ein eigenständiger nationaler Beitrag zur europäischen Integration bliebe dann weiter das exklusive Motiv für Sonntagsreden.

Im Übrigen könnte die EU-Debatte schneller zurückkehren, als es der Regierung lieb ist: Ein Nein Irlands - das einzige EU-Land, das eine Volksabstimmung zwingend vorschreibt - am 12. Juni ist nicht unmöglich. Wie es dann weitergeht, steht völlig in den Sternen.