Ein Staat, der sich weigert, Kernfragen seiner Sicherheit ehrlich zu diskutieren, nimmt sich selbst nicht ernst.
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Drei Ereignisse haben die jüngeren Debatten über die Sicherheit Österreichs geprägt: die Volksbefragung über die Wehrpflicht, die sich am Freitag zum zehnten Mal jährt; der Zustandsbericht des Bundesheers vom Herbst 2019 unter dem damaligen Verteidigungsminister Thomas Starlinger im Beamtenkabinett von Brigitte Bierlein, der dem Militär einen vernichtenden Befund ausstellte; und die Verweigerung - vom Kanzler abwärts - jeder ernsthaften Diskussion über Österreichs Neutralität nach der russischen Invasion in der Ukraine, die etwa Schweden und Finnland bewegte, Mitglieder der Nato zu werden.
Wirkliche Folgen hatte allein das Eingeständnis 2019, dass das Bundesheer seinen verfassungsrechtlichen Aufgaben nicht mehr nachkommen könne. Es war dies eine kurze Phase der schonungslosen Ehrlichkeit in dieser heiklen Frage der Republik, möglich allein, weil ein Expertenkabinett erstmals nach 1945 die Amtsgeschäfte führte. Nun sollen deutlich mehr Mittel in das Heer fließen: Das Budget soll von 2022 bis 2026 von 2,7 auf 5,7 Milliarden Euro steigen, wobei ab 2027 die Zielmarke bei 1,5 Prozent des BIP liegen soll (die 2,7 Milliarden Euro 2022 entsprachen 0,6 Prozent). Das ist viel Geld und doch angesichts des Investitionsbedarfs und der seit dem Ukraine-Krieg gänzlich neuen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen immer noch zu wenig.
Das Bundesheer wiederum hat den Krieg und seine Folgen dazu genutzt, seine eigene sicherheitspolitische Expertise via Medien breit zu präsentieren. Hier zeigt sich, dass das Heer über erhebliche Sachkompetenz und die dazu notwendigen Personen mit kommunikativen Fähigkeiten verfügt, um den Menschen im Land komplizierte militärische Zusammenhänge und Entwicklungen leicht verständlich zu vermitteln.
Allerdings reicht das nicht aus, um eine breite öffentliche Debatte um die besten Optionen für Sicherheit und Verteidigung der Republik zu führen. Es fehlen schlicht die interessierten wie notwendigen Gesprächspartner: Sowohl die politischen Verantwortlichen wie auch das Gros der Bürger zeigen kein Interesse, sich diesem gewiss nicht einfachen Thema zu stellen. Das zeigt jeder Versuch einer Debatte über die Neutralität (von Abschaffung ist keine Rede) wie auch die konkreten Umstände der Volksbefragung zur Wehrpflicht vor zehn Jahren. Damals standen nicht militärische Fragen im Zentrum, sondern die drohenden sozialpolitischen Folgen eines Aus des Zivildiensts.
Ein Staat, der sich weigert, die Kernfragen seiner Sicherheit ehrlich zu diskutieren, nimmt sich selbst nicht ernst.