Statt wertvolle Böden nachhaltig zu schützen, werden immer mehr Hektar pro Tag versiegelt - das kann fatale Folgen haben.
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Die UNO hat 2015 zum Jahr der Böden erklärt. Böden sind Leben und erfüllen viele wichtige Funktionen als Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, Grundlage der Produktion für Ernährungsgüter und nachwachsende Rohstoffe, Filter und Speicher von Wasser. Böden sind durch physikalische und chemische Verwitterungseinflüsse entstanden und durch den Fortschritt in Wirtschaft und Technik vielfältigen Belastungen ausgesetzt.
Böden und Lebensräume werden immer knapper. Schon vor mehr als 40 Jahren verabschiedete der Europarat, leider heute schon vergessen, eine "Bodencharta" zur Erhaltung gesunder und fruchtbarer Böden, die in Österreich Bund und Länder 1973 akzeptierten. 1984 erarbeitete das Landwirtschaftsministerium ein Konzept, das über Land- und Forstwirtschaft hinaus Handlungsanleitungen und Maßnahmen für Regional-, Raumordnungs- und Siedlungspolitik enthielt. Der wachsende Konflikt zwischen den Ansprüchen von Gesellschaft und Wirtschaft wurde ebenso aufgezeigt wie das zunehmende Spannungsfeld zwischen ökonomischen Erfordernissen und ökologischen Notwendigkeiten.
1989 analysierte die Bodenkundliche Gesellschaft die Landschaft in Österreich und entwickelte Eckpfeiler für ein Bodenschutzkonzept, die leider in der praktischen Agrar- und Regionalpolitik zu wenig berücksichtig wurden. Es ging um die Erhaltung der Regenerationsfähigkeit und Ausgleichsfunktion, die Ausweisung ökologischer Pufferzonen ("Natura 2000"-Gebiete) und die bessere Abstimmung bei Flächenwidmung und Raumordnung.
Vor mehr als zehn Jahren wurde der besorgniserregende Bodenverbrauch in Österreich von der Politik erneut aufgegriffen und ein Zielwert von 2,5 Hektar pro Tag in der Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung verankert. Heute beträgt die Versiegelung wertvoller Böden schon 22,4 Hektar pro Tag. Auf dieser Fläche könnte bei einem durchschnittlichen Ertrag die jährliche Getreideversorgung der Städte Linz und Salzburg sichergestellt werden.
Die Fakten in Österreich und weltweit sind alarmierend: Die landwirtschaftlich genützte Fläche in Österreich wurde in den vergangenen 70 Jahren von 4,25 auf 2,75 Millionen Hektar reduziert. Global dürfte die landwirtschaftliche Nutzfläche von 0,45 Hektar pro Kopf in den 1960ern auf 0,2 Hektar im Jahr 2020 und 0,1 Hektar im Jahr 2050 schrumpfen. Das ist dramatisch, weil die Weltbevölkerung bis dahin auf 9,3 Milliarden Menschen ansteigen wird. Wüstenbildung, Verschlechterung der Bodenqualität und Dürrekatastrophen aufgrund des Klimawandels betreffen schon jetzt 1,5 Milliarden Menschen in 110 Ländern. Die UNO schätzt den Produktivitätsverlust auf mehr als 40 Milliarden Dollar pro Jahr. Dazu kommt der steigende Importbedarf der Schwellenländer.
Die Regionalpolitik muss einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Wirtschaft und den Erfordernissen zur Sicherung der Lebensgrundlagen finden. Bäuerliche Familienbetriebe brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, der Strukturwandel erreicht bedenkliche Ausmaße. Seit 1945 ist die Zahl der bäuerlichen Betriebe in Österreich von fast 440.000 auf weniger als 170.000 gesunken. Sie sind aber das Herzstück der Zukunft der Gesellschaft: Ernährung, Kulturlandschaft, Rohstoffe und Umwelt.