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Österreich will Albanien in der EU haben

Von Veronika Eschbacher

Politik

Bundespräsident Fischer mit 70-köpfiger Wirtschaftsdelegation in Tirana.


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Tirana.Vor gut 100 Jahren war Österreich an der Entstehung eines eigenen albanischen Staates beteiligt. Davon zeugt nicht zuletzt die "Rruga Kont Leopold Bertold", eine nach dem österreichisch-ungarischen Außenminister Graf Berchtold benannte Straße im Zentrum der albanischen Hauptstadt. Heute unterstützt Wien Tirana abermals - bei seiner Integration in die Europäische Union.

"Österreich ist Anwalt unserer strategischer Interessen", sagte der albanische Präsident Bujar Nishani in Tirana, nachdem er den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer, der diese Woche Staatsbesuche in Albanien und Montenegro absolviert, mit militärischen Ehren empfangen hatte.

Beim nächsten EU-Gipfel im Juni erhofft sich Tirana, den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt zu bekommen. Und Präsident Fischer bestärkt diese Erwartungen bei seinem Besuch. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es im Juni einen positiven Beschluss geben wird", sagte Fischer den zahlreich anwesenden Medienvertretern. Ganze 17 albanische Kamerateams filmten seine Worte.

Und auch wenn der Ansturm im Präsidentenpalast groß war, ist es draußen, auf der Rruga Bertold, in letzter Zeit ruhiger geworden. Die albanische Wirtschaft ist zwar die einzige in ganz Südosteuropa, die seit den 1990er Jahren kontinuierlich wuchs. Mit etwas Verspätung hat die Krise aber nun auch Albanien erreicht. Im dritten Quartal 2013 schrumpfte die Wirtschaft um deutliche 2,3 Prozent. Vor allem der Bausektor und die Industrieproduktion gaben nach. Auch die Überweisungen von Auslandsalbanern, die offiziell etwa ein Zehntel des albanischen BIP betragen, sind im Vorjahr um 30 Prozent eingebrochen - nicht zuletzt, weil viele albanische Gastarbeiter aus dem Krisenland Griechenland heimkehren mussten.

Die Last der Vergangenheit

Die kommunistische Ära des Landes ab 1944 hat bis heute Spuren im Land hinterlassen: Nicht nur die hunderttausenden Bunker, die Diktator Enver Hoxha errichten ließ, um Albanien, das er vom Rest der Welt weitgehend abriegelte, vor einer Invasion zu schützen, sondern auch den nach wie vor großen Entwicklungs- und wirtschaftlichen Aufholbedarf. Hoxha hatte etwa Auslandsinvestitionen in der Verfassung verbieten lassen. Für einen zusätzlichen Rückschritt sorgten die nach dem Pyramidensystem aufgebauten Finanzgesellschaften. Als diese 1997 zusammenbrachen und viele ihr gesamtes Erspartes verloren, stand Albanien am Rand des Bürgerkriegs.

Von diesem Nachholbedarf wollen österreichische Firmen profitieren. Fischer wurde von einer 70-köpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet, der bisher größten, die das Land besuchte. Bis 2004, als die Raiffeisenbank die größte albanische Bank übernahm, war die Präsenz Österreichs äußerst gering. Heute haben heimische Firmen 500 Millionen Euro in Albanien investiert, vor allem im Banken- und Energiesektor. Damit rangiert das Land hinter Kanada und Griechenland an dritter Stelle der ausländischen Investoren. "Albanien war dennoch bisher etwas außerhalb unseres Fokus", sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl in Tirana. Er sieht das große Interesse österreichischer Firmen vor allem in den Vorteilen der Vorreiterrolle begründet. Je früher man sich in einem Land engagiere, desto größer seien die Erfolgschancen. Und ungeachtet der aktuellen Krise erwarten sich Analysten etwa im Zuge des Baus der Gaspipeline TAP, die Gas aus Aserbaidschan über Albanien nach Italien bringen wird, Chancen für österreichische Unternehmen. Aber auch die Sektoren Umwelttechnologie oder Tourismus sind laut Leitl zukunftsträchtig.

Für Leitl wäre ein Ja zum Kandidatenstatus für Albanien "eine Ermutigung", Mängel wie Korruption und Bürokratie zu beseitigen, auch wenn das Wohl der Wirtschaft davon nicht abhänge. Anders sah dies Fischer: "Alle" seien sich bewusst, dass kein Kandidatenstatus einen massiven Rückschlag bedeuten würde. Manche würden die Reformarbeit fortsetzen, andere glühende EU-Befürworter, die heute so zahlreich im Zentrum Tiranas die breiten Alleen auf- und abflanieren, jedoch enttäuscht sein.