Zum Hauptinhalt springen

Österreicher als Massenmörder

Von Michael Schmölzer

Politik

Österreich hat sich jahrzehntelang als Opfer Hitlers nationalsozialistischer Agressionspolitik selbst bemitleidet. Erst in den letzten Jahren fand ein gewisser Umdenkprozess statt. Mittlerweile ist es nicht mehr leugbar: Österreicher waren federführend mit dabei, als es um die Auslöschung missliebiger Menschen ging. Stellenweise waren "Ostmärker" als Täter bei den Nazi-Greueln sogar in auffälliger Weise überrepräsentiert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In den drei Vergasungszentren Belzec, Sobibor und Treblinka wurden im Rahmen der "Aktion Reinhard" (nach dem ermordeten Chef des Reichssicherheitsamtes, Reinhard Heydrich) zwischen dem März 1942 und November 1943 mehr als 1,5 Millionen Juden und 50.000 Zigeuner ermordet. Mehr als in den Vergasungsanlagen von Auschwitz. Die Leitung des Massenmordprojekts lag beim SS-und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Odilo Globocnik, der Österreicher war, ebenso wie einer der Zentralplaner des gesamten Holocausts überhaupt, Adolf Eichmann.

Ein überproportional hoher Anteil von Globocniks SS-Schergen stammte ebenfalls aus Österreich. Betrachtet man die führenden Funktionäre in den genannten drei Vergasungszentren: das gleiche Bild. Drei der insgesamt sieben Lagerleiter waren "Ostmärker". Bertrand Perz von der Universität Wien hat sich näher mit dem Mitarbeiterstab Globocniks in Lublin auseinander gesetzt. "Innerhalb der SS ist alles über persönliche Kontakte gelaufen. Globocnik hat einfach seine Kameraden aus Österreich mit nach Lublin genommen und diese wieder ihre Bekannten - ein Netzwerkphänomen", erklärt Perz den hohen Österreicheranteil. Die drei genannten Lagerleiter sind allerdings nicht unmittelbar aus dem Kreis des gebürtigen Kärntners ins "Generalgouvernement" gekommen. Ihre Wurzeln sind im deutschen Euthanasieprogramm zu suchen, das die Vorstufe, die "Experimentierphase" der Massenvernichtung im Zuge der so genannten Endlösung darstellte.

"Die Biographie Globocniks ist von einem Karriereknick gekennzeichnet, was seinen Eifer bei der Durchführung der Aktion Reinhard und seine Willfährigkeit gegenüber Heinrich Himmler zumindest teilweise erklären könnte", meint Bertrand Perz. Tatsächlich war der Sohn einer kroatisch-deutschsprachigen Ehe 1939 als Gauleiter von Wien abgesetzt und nach Lublin versetzt worden.

Als Himmler ihm 1941 den Auftrag erteilte, die planmäßige Judenvernichtung in die Wege zu leiten, witterte der gnadenlose Karrierist und Massenmörder die Chance seiner Rehabilitation. 1945 beging Globocnik Selbstmord.