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Österreicher sollen Geister, die sie gerufen haben, wieder los werden

Von Heike Hausensteiner

Politik

Das Ergebnis der Nationalratswahl, bei der die FPÖ mit 26,9 Prozent der Wählerstimmen · wenn auch knapp · zweitstärkste Partei wurde, hat international für Empörung gesorgt. In Österreich haben | sich nun führende Intellektuelle zur Plattform "Demokratische Offensive" zusammen geschlossen, um gegen die fremdenfeindliche Politik ihre Stimme zu erheben. Am 12. November, dem Tag der Republik, | findet in Wien eine Großkundgebung statt, weitere Aktivitäten werden folgen.


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"Das politische Establishment darf nicht nur ängstlich um den eigenen Machterhalt besorgt bleiben." Und: "Der extremistische Populismus Jörg Haiders ist die falsche Antwort auf ein Bedürfnis nach

Erneuerung." Die Plattform ruft jene 73 Prozent der Österreicher auf, die nicht FPÖ gewählt haben und die keine "hetzerische Veränderung" wollen, ihre demokratische Stimme zu erheben, erklärt die

Schauspielerin Elisabeth Orth.

"Die Zeit der ängstlichen Kleingeistigkeit muss ein Ende haben", so der Journalist Robert Misik. "Mut machen gegen die Angstmache" der FPÖ und gegen die "Mutlosigkeit seiner Gegner" erläutert Silvio

Lehmann, Sprecher des "Republikanischen Clubs", das Ziel der Offensive.

Wider die Kleingeistigkeit

Eine öffentliche Debatte über Fremdenfeindlichkeit und deren Nährboden müsse in Österreich endlich begonnen werden. Nach dem heftig geführten Wahlkampf · äußerst umstritten waren vor allem FPÖ-

Plakate zur Ausländerpolitik · müsse der Bevölkerung bewusst werden, "dass Brandstifter unterwegs waren und dass es brennt", meint der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel

Muzicant. Er berichtet etwa von einer Flut von Drohbriefen an die IKG und von mehr als 80 Übergriffen an österreichische Juden in den Wochen vor und unmittelbar nach der Wahl. Nur: Die IKG ist

verglichen mit den anderen in Österreich lebenden ausländischen Gruppierungen gut organisiert. Gegen die Täter kann nicht wirklich etwas unternommen werden. Dämme seien gebrochen worden, stellt der

IKG-Präsident fest. "Jetzt traut man sich wieder."

Für die Republik

Als einer der wenigen politischen Vertreter unterstützt der ehemalige SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina die "Demokratische Offensive". Er ist sich sicher: "Das Ende des Herrn H.J. ist aufhaltbar",

und zwar auf republikanische, demokratische Weise. Gegenüber der FPÖ konstatiert er "falsche Toleranz" · was Lacina wohl auch seinen Parteigenossen ins Stammbuch schreiben dürfte.

In einem neuen "Gesellschaftsvertrag" sollte die Integration von Ausländern geregelt werden, fordert die Plattform. Österreich habe hier ohnehin Nachholbedarf im Vergleich zu anderen europäischen

Staaten, meint Max Koch von der Menschenrechtsorganisation "SOS Mitmensch". Urgiert wird auch eine arbeitsrechtliche Gleichstellung der ausländischen mit den inländischen Arbeitnehmern, etwa die

Gewerkschaft sei immer noch ethnisch organisiert. Vorstellbar ist für die "Demokratische Offensive", ausländischen Bürgern das Wahlrecht auf kommunaler Ebene · als Vorstufe zur Staatsbürgerschaft ·

einzuräumen.

Zwischen Demokratie und Rassismus gibt es eine Grenze, "da lassen wir keine Grenzgänger zu", stellt der Schriftsteller Doron Rabinovici klar. Schließlich gehe es "um nicht weniger als um die

Republik". "Hören Sie genau hin", signalisiert die Intellektuellen-Plattform den Regierungsverhandlern. "Wir sind Österreich."

Am 12. November findet ab 16 Uhr eine Demonstration zum Parlament und um 18 Uhr die Abschlusskundgebung am Stephansplatz statt.