"Politische" Richterbesetzungen werden nunmehr als klares rechtsstaatliches Problem gesehen.
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Das 27. Mai-Forum des Verwaltungsrichterforums hat neuen Schwung in die Diskussionen um die Beendigung des österreichischen Postenschachers auf höchster Ebene gebracht: Wie die "Presse" vom 9. Mai berichtete, hat der Senatspräsident am Verwaltungsgerichtshof (VwGH), Markus Thoma, auf die rezente Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu "politischen" Richterbesetzungen verwiesen. Diese werden nunmehr als klares rechtsstaatliches Problem gesehen, da sie einem fairen Verfahren gemäß Art. 6 EMRK entgegenstehen (siehe das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 1. Dezeber 2020, Gudmundur Andri Astradsson gegen Island, Nr. 26374/18).
Dieses Urteil könnte in Österreich enorme Probleme aufwerfen, auch in Hinblick auf die politische "Sideletter"-Vergabe höchstgerichtlicher Positionen, die in den vergangenen Monaten bekannt geworden sind. Dazu müssten Beschwerden beim EGMR eingebracht werden, wobei dieses Problem - solange die betreffenden politischen "Ad-Personam-Berufenen" weiter im Amt bleiben - potenziell auf lange Zeit fortbestehen kann.
Hinzu kommt die EU-rechtliche Perspektive: Postenschacher in der Justiz wird immer stärker als Rechtsstaatlichkeitsproblem gesehen und natürlich auch aus der Perspektive von Artikel 47 der Grundrechte-Charta beanstandet. Damit ist das nächste Problem angesprochen, das Präsident Thoma im Ö1-"Mittagsjournal" vom 10. Mai hervorgehoben hat: Während in der Vergangenheit in Österreich das Fehlen jeglichen Rechtsschutzes für Kandidaten bei Richterstellenausschreibungen als "normal" angesehen wurde, kommt diese Materie zunehmend ins Visier internationaler Institutionen - und eben der EU aufgrund der sich verdichtenden Rechtsstaatlichkeitsverpflichtungen. Interessanterweise nicht über die Freizügigkeitsregelung, für welche nach wie vor die hoheitliche Bereichsausnahme gemäß Artikel 45 Absatz 4 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gilt.
Bestellmodus für Positionen an Höchstgerichten reformieren
Gleichzeitig werden Überlegungen angestellt, den Bestellmodus für Positionen an Höchstgerichten generell zu reformieren, wobei an einen "Justizrat" beziehungsweise einen "Obersten Richterrat" gedacht wird. Zu Recht wurde auf der genannten Tagung aber darauf hingewiesen, dass eine solche Einrichtung allein noch keine Patentlösung darstellt. Entscheidend wird vielmehr sein, eine Zusammensetzung dieser Einrichtung sicherzustellen, die ihr unabhängiges Wirken garantiert. So werden beispielsweise im Ausland generell bei Ausschreibungen für Gerichtspositionen auch andere Berufsgruppen in den Auswahlkommissionen berücksichtigt. Dadurch wird nicht nur die Einbeziehung zusätzlicher Expertise garantiert, sondern auch eine berufliche Durchmischung, die eine Steuerung der Verfahren erschwert.
Postenschacher ist wohl eines der Grundübel des österreichischen Gesellschaftssystems und Nährboden für vielerlei Formen von Korruption. Die vergangenen Jahre haben in diesem Bereich paradoxerweise eine erhebliche Verschlechterung erbracht, so im Universitätsbereich. Während gemäß UOG 1993 (Universitäts-Organisationsgesetz) Kandidaten für Professorenstellen noch einen wirksamen Zugang zu einem Gericht hatten, ist dieser mit dem UG 2002 (Universitätsgesetz) eliminiert worden. Dabei ist unklar, ob dies Intention eines an sich schlecht gemachten Gesetzes war oder Ergebnis einer unglücklichen Entwicklung einer Rechtsprechung, die mit diesem Gesetz nicht zurande gekommen ist.
Auf jeden Fall ist die aktuelle Rechtsprechung rund um das UG 2002 klar EMRK- und EU-rechtswidrig, da es im Anwendungsbereich der EU-Freizügigkeitsnormen (hier greift die Ausnahme gemäß Artikel 45 Absatz 4 AEUV nicht!) den Klageweg unterbindet und damit manifest gegen Artikel 47 der Grundrechte-Charta und auch gegen Artikel 19 EUV (Vertrag über die Europäische Union) verstößt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Höchstgerichte diese Frage nicht vorlegen, zum Teil sogar ohne Begründung und damit erneut gegen Artikel 47 der Grundrechte-Charta und Artikel 6 EMRK verstoßen. Die steuermittelfinanzierte Postenvergabe an den österreichischen Universitäten muss nicht, kann aber damit zu einem beschämenden "Gnadenakt" des Rektors unter Ausschluss von Konkurrenz und völliger Nichtbeachtung akademischer Kompetenz werden.
Tendenz, sich von Errungenschaften fortzubewegen
Es ist erstaunlich, wie sehr in Österreich immer wieder die Tendenz besteht, sich von rechtsstaatlichen Errungenschaften fortzubewegen. Appelle, wie jene der erwähnten RichterInnentagung, können einen hilfreichen Weckruf darstellen, der an eine einschneidende Entwicklung im Jahr 1995 erinnert, die immer wieder in Vergessenheit zu geraten scheint.
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