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Die Feiertage sind vorbei, ein neuer Alltag baut sich auf. Der Fokus der Leute richtet sich wieder stärker auf die "Welt da draußen". Meinungsforscher berichten traditionell von erheblichen Stimmungsverschiebungen. Kurzum: Vor Weihnachten ist nicht nach Dreikönig.
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Die Jahreswende ist so ein spannender Zeitpunkt für eine politische Bestandsaufnahme: Unsere Republik steht am Beginn einer neuen Legislaturperiode. Die Regierung ist eingeführt. Vor Weihnachten war ihre Inauguration; mit dem 7. Jänner beginnt ihr Alltag. Was sehe ich auf der Haben-Seite: Markant ist vor allem der neue Stil. Mancherorts als Kuschelkurs gescholten, ist es für die Mehrheit der Bevölkerung eine Erleichterung, einen fairen Umgang miteinander zu erleben. Der letzten Regierung fehlte es insbesondere an einer tragfähigen Beziehungsebene. Wahre Energiefresser waren diese Negativ-Emotionen. Also: Strich drunter. Und jetzt nicht jammern, dass die Regierenden miteinander reden, ohne sich zugleich dabei wechselseitig ans Bein zu pinkeln. Wir verbuchen also im Haben: good vibrations, tragfähige persönliche Beziehungen und anständigen Umgang miteinander.
Zwischen Soll und Haben hängt die Sachebene. Zwar gibt es ein Regierungsprogramm, das passabel ist. Doch immerhin reicht der Blick nach vorn bis in das Jahr 2012. So weit zu sehen - da braucht es Selbstbewusstsein, Intuition und Fantasie. Und vor allem eine politische Vision. Wohin soll die Reise gehen? Woraus beziehen die Regierenden ihre Orientierung? Aus Meinungsumfragen, Zeitungskommentaren. Das ist gut so; gleichzeitig eine Defizitausprägung. Das politische Strategieverständnis in Österreich erzählt die Geschichte einer Verwechslung: Die Taktik regiert. Die politischen Eliten erquicken sich am schnellen Effekt. Der große inhaltliche Bogen ist auch diesmal (noch) nicht gespannt.
Klar auf der Soll-Seite liegt die Sphäre der politischen Strukturen. Am dringlichsten: Die wichtige Rolle der politischen Parteien für die Demokratie wurde in Österreich bislang weder von den politischen Eliten noch von den Medien ausreichend gewürdigt. Freilich gibt es ein starkes sozialpartnerschaftliches Hinter- bzw. Vorderland. Doch kann dies die autonome Erhabenheit einer staatstragenden Partei nicht ersetzen. Mitunter entsteht der Eindruck, dass gerade die zwei (ehemaligen) Großparteien von ihren ehemaligen Chefs bewusst ausgehungert wurden, weil sie in deren Machtverständnis keinen ausreichend funktionalen Platz fanden. Eine Partei ist jedoch mehr als ein Kampagnenklub.
Ein letzter Blick gilt der eigenen Zunft, der Politikberatung. Sie spiegelt den Status der politischen Befindlichkeit: über weite Strecken eine bedauerliche Kurzzeitorientierung, obsessiver Taktik-Fokus, mangelndes nachhaltiges Strategieverständnis, Ignoranz gegenüber Fragen der politischen Kultur und Struktur. Auch für die Politikberatung beginnt eine spannende neue Etappe.