Der Doyen der heimischen Sanierer. | Hunderte Pleite-fälle landen auf seinem Schreibtisch. | Manche Flops sind nicht vermeidbar. | Wien. Er ist ein Retter in höchster Not: Erhard Grossnigg, demnächst 62, tritt immer dann in Aktion, wenn es eine Krise zu bewältigen gibt. Und er gilt längst als Österreichs Paradesanierer: Im Laufe von rund dreißig Jahren hat er mehr als 100-mal bewiesen, dass man aus kränkelnden Unternehmen im Handumdrehen fitte Betriebe machen kann. Wenn man´s kann. Johannes Nejedlik, Geschäftsführer des Kreditschutzverbandes von 1870, attestiert ihm "Geschick, profundes Fachwissen und eine hohe Professionalität, mit der er die Dinge anpackt".
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Der gebürtige Linzer hat aber nicht nur zahllose Firmen gerettet, sondern sich so ein beachtliches Imperium zugelegt (siehe Infografik). Der Vorarlberger Wäschehersteller Huber, der heuer das hundertjährige Jubiläum feiert, gehört dazu, desgleichen die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten, der burgenländische Büromöbelproduzent Neudörfler, der Heiz- und Kochgerätespezialist Lohberger oder die Bettfedernfabrik Sleepwell Kauffmann aus dem Ländle. Alles in allem beschäftigt Grossniggs Gruppe fast 1700 Mitarbeiter und erzielte im Vorjahr etwa 280 Millionen Euro Umsatz.
Distanz zu Medien gelingt nicht immer
Als geschätzter Doyen im Sanierungsgeschäft, das sich längst als eine Art eigener Geschäftszweig behauptet hat, wird Grossnigg zumeist von verzweifelten Hausbanken zur Hilfe gerufen, sobald einer ihrer Klienten in Schieflage gerät. Das war zuletzt beim niederösterreichischen Strumpfhersteller Ergee der Fall, dessen Großgläubiger Erste Bank unbedingt eine Insolvenz vermeiden möchte. Die Entscheidung, ob Grossnigg die Rettungsaktion starten wird, soll in Kürze fallen. Dass er derzeit auch an der insolventen Dornbirner Textilfirma F. M. Hämmerle Interesse zeigt, ist ein unbestätigtes Gerücht, zu dem der medienscheue Investor, wie gewohnt, eisern schweigt: "Ich möchte Pressemeldungen über mich so gut ich kann vermeiden."
Grossnigg zählt seit Oktober 2007 zu Österreichs ersten "Certified Turnaround Experts", die von "ReTurn", einem Forum für Restrukturierungen, Sanierungen und Turnarounds, gemeinsam mit dem Fachverband Unternehmensberater und IT der Wirtschaftskammer kommissionell getestet und gewissermaßen geadelt werden. "Mit diesem Zertifizierungsprogramm", sagte Grossnigg seinerzeit, "werden endlich Qualitätsstandards für unsere Arbeit festgelegt, an denen uns andere, aber auch wir uns selbst messen können."
Zu Grossniggs Netzwerk gehören etwa Strabag-Boss Hans-Peter Haselsteiner, der Industrielle Michael Salzer, Günter Rhomberg, Präsident der Bregenzer Festspiele, die Banker Karl Sevelda (RZB) und Erwin Hameseder (Raiffeisen NÖ/Wien) sowie der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger. Mit Ex-Partner Paul Niederkofler, der mittlerweile eigene Wege geht, hat er 2001 den REB-Fonds gegründet, der sich eine Reihe von maroden Unternehmen zur Brust nahm. Mit dem Anlegergeld wurde etwa die im Ausgleich befindliche Kfz-Zubehörkette Forstinger gerettet ("mein größter Erfolg"), die später an die britische Bridgepoint Capital Ltd. weiterverkauft wurde.
Gerettet wurden auch die Firmen Huber Tricot, Lohberger, Neudörfler und Augarten, an denen er bis heute beteiligt ist.
Grossnigg trat schließlich als Sanierer der Elektrokette Cosmos und des Fotofilialisten Niedermeyer in Erscheinung und halste sich mit der Restrukturierung der Grazer Schuhkette Stiefelkönig eine zähe Mission auf. Im Vorjahr nahm er den insolventen Vorarlberger Wirkwarenhersteller Gebrüder Wolff unter seine Fittiche, der von der neugegründeten Lupus Veredelungs GmbH aufgefangen wurde. Zudem bewahrte er die Bettfedernfabrik Kauffmann in Hörbranz vor dem Untergang, die unter dem Namen Sleepwell Kauffmann weitermacht. Und schließlich versuchte er sogar das Dauerproblem Wiener Tierschutzverein zu lösen - leider vergeblich.
Es gab auch Pleiten, Pech und Pannen
Dem erfolgreichen "Company-Doktor", wie sich Grossnigg selbst sieht, ist nicht alles gelungen. In manchen Fällen kam er nicht zum Zug: 2003 zog er etwa beim Poker um die schwer verschuldete Tankstellenkette Avanti den Kürzeren - das Match gewann damals die OMV. Und als er sich kurz darauf, gemeinsam mit der Münchner Investorengruppe Orlando, für den maroden Backwarenkonzern Ankerbrot interessierte, hatte er ebenfalls das Nachsehen - den Zuschlag erhielt der Deutsche Klaus Ostendorf.
Eine herbe Enttäuschung bereitete ihm auch das Kneissl-Werk in Kufstein, das Grossnigg gemeinsam mit seinen Freunden Hans-Peter Haselsteiner und Michael Salzer 1989 übernommen hatte. Die eingeschlagene Expansionsstrategie ging nicht auf, das Kerngeschäft Skiproduktion musste eingestellt werden. Im Mai 2003 schlitterte die Kneissl & friends GmbH letztlich in den Ausgleich. Grossniggs Image als Wunderheiler bekam obendrein im Zuge der dramatischen Talfahrt des Wiener Autohauses Tarbuk einige Kratzer ab. Er konnte der ursprünglich aus zwölf Standorten bestehenden Gruppe nicht helfen, sodass sie sich in Luft auflösen musste.
Grossnigg, für den "Hausverstand und Augenmaß" die wichtigsten Eigen-schaften eines Sanierers sind, legt naturgemäß Härte und Konsequenz an den Tag. Bei der Vorarlberger Textilfirma Huber, die von den Wäschemarken Huber, Skiny und Hanro sowie der Einzelhandelskette Huber Shop mit rund 70 Filialen lebt, musste der Belegschaftsstand zunächst rasant von 2200 auf 800 Beschäftigte reduziert werden. Grossnigg stockte sodann wieder auf, doch just zum hundertjährigen Jubiläum gab er im Februar bekannt, dass erneut 30 bis 50 Jobs gestrichen werden.
Sein Credo lautet: "Wirtschaften ist keine Atomphysik, sondern grundsätzlich ein einfaches Geschäft."
Zur Person:Erhard F. Grossnigg, am 22. September 1946 in Linz geboren, studierte an der Wirtschaftsuni Wien und begann die Laufbahn in der Kreditabteilung der Chase Manhattan Bank in Paris. Nach einer Zwischenstation in New York wurde er in Düsseldorf Leiter des Kreditgeschäfts und mit 28 jüngster Direktor der Chase, die er 1974 verließ.
Damals kaufte er sich in Wien bei der Donau-Finanz ein, für die er erste Sanierungsfälle in Angriff nahm. 1979 gründete er die Erhard F. Grossnigg Finanzberatung, deren erste größere Fälle die Industriebau in Baden, die Grazer Papierfabrik Arland sowie die Europapier waren. Breite Beachtung fand die Rettung des Spanplattenerzeugers Funder. Grossnigg, dessen Hobbys Skifahren, Segeln, Oldtimer und Kunst sind, strukturierte weiters den Salzer-Ueberreuther-Konzern seines Freundes Michael Salzer um und stellte die marode steirische Economos auf gesunde Beine.
2001 startete er mit Partnern den REB-Fonds, der sich an diversen Sanierungsfällen beteiligte: die Huber Holding, Neudoerfler und Augarten Porzellan sind die prominentesten. In jüngster Zeit war er beim Wiener Tierschutzverein, bei der Vorarlberger Bettfedernfabrik Kauffmann und dem insolventen Wirkwarenhersteller Gebrüder Wolff im Einsatz. Der Workaholic führt bei mehr als zehn Gesellschaften die Geschäfte, werkt etwa zwei Tage pro Woche als Vorstandsvorsitzender der Huber AG in Götzis, sitzt in drei Aufsichtsräten und fungiert in sechs Privatstiftungen als Vorstand.