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Österreichs Bilanzpolizei kommt spät, aber doch

Von Nikolai Haring

Gastkommentare
Nikolai Haring ist Fachbereichsleiter Rechnungswesen und Controlling sowie Koordinator Praxiskontakte am Institut für Unternehmensführung der FH Wien der Wiener Wirtschaftskammer.

In Zukunft sollten Fehler in österreichischen Finanzberichten der Vergangenheit angehören - und ebenso geschönte Bilanzen.


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Die neue Bilanzpolizei in Österreich, die die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen für Abschlüsse von Geschäftsjahren mit Ende am 31. Dezember 2013 oder später prüfen soll, ist ein Paradebeispiel für die großkoalitionäre Blockade der vorigen Legislaturperiode bei wichtigen Reformen: Letztendlich wurde es ein zweistufiges Modell, wie es sich die ÖVP vorgestellt hatte, mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) als formell oberster Prüfungsinstanz und Kontrollbehörde, die sich bei den Prüfungen jedoch eines gemeinnützigen Vereins, der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung, bedienen wird - die SPÖ wollte die Bilanzpolizei hingegen direkt bei der FMA ansiedeln.

Die Transparenz-Richtlinie der EU von Ende 2004 verpflichtete jedes Mitglied, bis 20. Jänner 2007 eine zentrale Behörde zur Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung der Informationsanforderungen zu benennen. Österreich setzte diese Verpflichtung mit dem Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das am 1. Juli 2013 in Kraft getreten ist, jedoch erst sechseinhalb (!) Jahre später um. Diese Verspätung ist eventuell auch dafür mitverantwortlich, dass der DAX zwischen 2006 und 2011 um nur circa 5 Prozent gefallen ist, während der ATX mangels Vertrauen in die Finanzzahlen 55 Prozent verloren hat.

Jährlich sollen 25 bis 30 Abschlüsse börsennotierter Unternehmen (Ende 2011 gab es insgesamt 158 Emittenten) auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Die Auswahl erfolgt stichprobenmäßig sowie bei einem konkreten Anlass oder Verdacht. Dabei sind jährliche Prüfungsschwerpunkte festzulegen und zu veröffentlichen. Das Gesetz sieht bei der Prüfung weitreichende Mitwirkungspflichten aller Beteiligten vor. Die FMA hat dem Unternehmen auf Basis des Prüfungsergebnisses nach Maßgabe des öffentlichen Interesses (das heißt de facto Kursrelevanz) mit Bescheid aufzutragen, die festgestellten Fehler inklusive Begründung zu veröffentlichen. Weiters bestehen diverse Anzeigepflichten, etwa bei der Staatsanwaltschaft oder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, die straf- und berufsrechtliche Konsequenzen für Vorstand und Wirtschaftsprüfer nach sich ziehen können. Die Fehlerveröffentlichungen sollen freilich auch eine Präventivwirkung entfalten.

In Deutschland lag die Fehlerrate bei Finanzberichten in den vergangenen Jahren bei circa 25 Prozent. Dieser Wert wird in Österreich wohl übertroffen; laut einer heurigen Studie von Ernst & Young berichteten 51 Prozent der heimischen Manager von geschönten Finanzergebnissen - im westeuropäischen Durchschnitt waren es 31 Prozent. Das passt auch gut zu jüngsten Forschungsergebnissen des Instituts für Financial Management der FH Wien der Wiener Wirtschaftskammer, wonach österreichische Finanzchefs zu 56 Prozent an Macht, lediglich zu 29 Prozent an Leistung und gar nur zu 15 Prozent an sozialer Gruppenzugehörigkeit interessiert sind.

Manche sagen, der Österreicher stelle den misslungenen Versuch dar, aus einem Italiener einen Deutschen zu machen. Besserung ist dank Bilanzpolizei in Sicht, so diese sich selbst vor der österreichischen Schludrigkeit zu bewahren vermag.