Zlatan Jovanovic wurde als erster Mensch in Österreich durch In-vitro-Fertilisation gezeugt.|"Das meiste über meine Entstehung habe ich durch die Medien erfahren."
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Wien. Als "ganz normal" bezeichnet er sich - ein junger Mann eben, der seinen 30. Geburtstag am Sonntag "am liebsten gar nicht feiern würde, weil er einen daran erinnert, wie alt man schon ist". Dem Medienrummel zu seinem Jubiläum kann er allerdings nicht entgehen. Ist Zlatan Jovanovic doch am 5. August 1982 als erstes Retortenbaby Österreichs nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) zur Welt gekommen. Das weltweit erste Retortenbaby war vier Jahre früher in Großbritannien geboren worden.
Dass er etwas Besonderes ist, wurde Zlatan Jovanovic erst in der Hauptschule bewusst. "Als ich in der 2. oder 3. Klasse war, hat meine Lehrerin einen Artikel über mich auf das Klassenbrett gehängt und über das Thema geredet. Da hab ich mich dann auch dafür interessiert", erzählt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das meiste über seine Entstehung habe er über die Medien erfahren - zu Hause sei es nie Gesprächsthema gewesen.
Die Sehnsucht nach
einem Kind war zu groß
Zwar sei er schon als kleines Kind - speziell zu seinen Geburtstagen - oft fotografiert worden. "Nachgefragt habe ich aber nie." Seitdem er 16 Jahre alt ist, gibt er auch Interviews. Heute sind dem gelernten Kfz-Mechaniker, der an einer Wiener Tankstelle arbeitet, die Hintergründe seiner Entstehung bewusst. "Ich bin leider ledig. Aber wäre ich in der Situation, würde ich auch alles versuchen, um mit meiner Frau ein Kind zu haben", sagt er.
Seine Mutter Jovanka Jovanovic, eine gebürtige Serbin, war vor 30 Jahren in dieser Situation. Beide Eileiter waren verklebt, sie wurde einfach nicht schwanger. "Ich hatte schon alles Mögliche probiert. Damals war es eine Schande, keine Kinder bekommen zu können. Viele Ehen sind daran zugrunde gegangen", erinnert sie sich. "Ohne Kind war mein Glück nicht komplett. Meine Sehnsucht war zu groß."
Als sie sich mit ihrem Problem an die Wiener Universitäts-Frauenklinik am AKH wandte, lernte sie mehrere junge Gynäkologen kennen, die sich mit In-vitro-Fertilisation beschäftigten. Unter ihnen Wilfried Feichtinger und Peter Kemeter, die vorrangig an der diesbezüglichen Forschung beteiligt waren und später ein privates IVF-Institut gründeten.
"Ich bin mit den Ärzten im Zimmer gesessen, und sie haben mir erklärt, welche Möglichkeiten es noch gäbe, schwanger zu werden. Als ich das von der IVF gehört habe, bin ich in Panik geraten, aufgesprungen und rausgerannt. Ich hab’ Zeit gebraucht, um nachzudenken. Dann bin ich wieder reingegangen und hab’ zugesagt. Aber ich war nicht sicher, dass es gelingt", sagt Jovanka Jovanovic, die damals im Zimmerservice eines Hotels arbeitete; ihr Mann war gelernter Maurer.
Freundinnen und Bekannten erzählte sie kein Wort von dem "Forschungsexperiment". Eine Hormonbehandlung und die IVF folgten. Als sie schließlich bei einem der nahezu täglichen Arztbesuche die eingenistete Eizelle auf einem Ultraschallbild sah, "bin ich gesprungen vor Glück". Dennoch sollte kein Mensch von der IVF erfahren. "Bis zur Geburt - dann haben wir es nicht mehr verheimlichen können, dann haben alle geschaut."
Der darauffolgende Medienrummel war der damals 27-Jährigen schon fast zu viel. Sie wollte ihr Privatleben wahren und ihr Kind in Ruhe und abseits aller Sensationsmeldungen großziehen. "Damals wurde ja genug geredet, vor 30 Jahren", erzählt sie heute, "aber die, die am meisten getratscht haben und selbst noch keine Kinder hatten, haben es mir dann heimlich nachgemacht."
Fünf Jahre nach Zlatans Geburt kam Tochter Jasmina zur Welt - sie wurde ohne IVF gezeugt. Die Verwachsungen im Eileiter hatten sich durch die Schwangerschaft gelöst. Dass seine Schwester auf natürliche Art und Weise gezeugt worden war, war für Zlatan Jovanovic allerdings nie ein Thema. "Wir haben ein inniges Verhältnis", betont er, "Jasmina ist nur leider Dialysepatientin."
Medienrummel und Schicksalsschläge
Es ist einer von mehreren Schicksalsschlägen, die das Leben des am Sonntag 30-Jährigen prägten. "2006 starb mein Vater an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Am 19. August, kurz nach meinem 24. Geburtstag", erzählt er mit gedämpfter Stimme, "die Ärzte haben zwar notoperiert, aber es waren schon Metastasen da." Wenig später musste seine Mutter wegen Herz- und Lungen-Problemen in Frühpension gehen und braucht seitdem ein Sauerstoffgerät. Zlatan Jovanovic selbst erlitt in jungen Jahren einen Bandscheibenvorfall. Die Fahrten zur Familie nach Serbien fallen ihm seit dem Tod seines Vaters schwer, sagt er. Zu präsent seien die Erinnerungen an früher, als noch die gesamte Familie in die ursprüngliche Heimat fuhr.
Auch die Geburtstagsfeste fallen seither kleiner aus. Diesen Sonntag will Zlatan "nur mit einem kleinen Freundeskreis feiern und ein bisschen Party machen". Die Schwester, die in Wien verlobt ist, wird vielleicht kurz vorbeikommen. Ein großes Fest soll im Oktober folgen, wenn auch die Mutter wieder in Wien ist - derzeit ist sie in Serbien auf Landurlaub. Wilfried Feichtinger, seit Zlatans Geburt ein enger Freund der Familie, ist auch eingeladen.
Jetzt müssen aber erst noch Interviews geführt und Fototermine wahrgenommen werden - für Zlatan Jovanovic ist das bereits Routine. "Ich sammle gern die Zeitungsberichte", sagt er, "die stapeln sich schon zu Hause. Ich hab’ auch welche aus der Babyzeit." Österreichs erstes Retortenbaby zu sein, sei für ihn nie ein Problem gewesen, auch wenn er in der Kindheit manchmal dafür gehänselt wurde. Ganz im Gegenteil. "Ich spiele gerne damit, das Problem, einen Spitznamen zu finden, hatte ich zum Beispiel nie: Im Chat bin ich ,Invitro‘."