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Österreichs neuer rechter Nerv

Von Marina Delcheva und Clemens Neuhold

Politik
Pegida und die Identitäreren treffen den rechten Nerv einiger Österreicher.

Hinter der Demo in Wien sollen nicht nur Bürgerliche, sondern auch rechtsextreme und gewaltbereite Hooligans stehen.


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Wien. Seit Oktober marschieren wöchentlich "Proeuropäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) durch die Straßen von Dresden. Am Montag waren es wieder 25.000. Die Demos erreichen - wie exklusiv von der "Wiener Zeitung" berichtet - am 2. Februar auch Wien. Für diesen Tag hat Pegida Wien einen abendlichen "Spaziergang" über die Mariahilfer Straße angemeldet. Die Polizei bespricht nächste Woche die Veranstaltung mit den Organisatoren. Die Organisatoren hinter Pegida haben ihr Gesicht bisher noch nicht gezeigt. Mit Journalisten und Interessierten kommunizieren sie anonym via Facebook. Eigenen Angaben zufolge wollen sie nichts mit Parteien oder rechten Gruppen zu tun haben und sehen sich als "Bürgerbewegung".

Rechte Hooligans hinter Pegida

Hinter Pegida Wien werden Verbindungen zur rechten Hooliganszene vermutet. "Unsere Spuren weisen in Richtung rechtsextremer, gewaltbereiter Hooligans", sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Recherchen der "Wiener Zeitung" führen zu Hooligans, die von den Behörden als rechtsextrem und gewaltbereit eingestuften werden; manche aus dem rechten Sektor der Wiener Austria. Informierten Kreisen zufolge soll ein amtsbekannter steirischer Fußballhooligan den "Spaziergang" in Wien bei der Polizei angemeldet haben.

In Deutschland ist Lutz Bachmann das Gesicht der Bewegung. Seine Vita ist von Straftaten wie Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenbesitz durchzogen. Im weiteren Führungsteam befinden sich aber auch Handwerker, Unternehmer, Personen aus dem Umfeld von FDP und CDU. Es soll aber auch Mitstreiter mit Kontakten zu der gewaltbereiten Gruppe "Hooligans gegen Salafisten" geben. Diese haben wiederum Kontakte zur heimischen Hooligan-Szene.

In Österreich ebenfalls aktiv geworden ist "Nopegida". Die Gruppe hat mit anderen linken und antifaschistischen Gruppen bereits vier Veranstaltungen gegen den Pegida-Marsch am 2. Februar angemeldet. Solche Demonstrationen haben die Pegida-Züge in deutschen Städten wie Köln in den Schatten gestellt. Wer in Österreich stärker sichtbar wird, hängt nicht zuletzt von der FPÖ ab. Und diese hat angekündigt, dass sie die Demo Anfang Februar nicht unterstützen wird; obwohl Parteichef Heinz-Christian Strache seine Sympathie für Pegida Deutschland von Anfang an offen bekundet hat.

Eine mögliche Erklärung für die Distanzierung: Eine schwache Demo könnte als Niederlage der FPÖ ausgelegt werden. Außerdem sind dann Semesterferien und auf die Straße zu gehen hat in Österreich ohnehin keine Tradition. Die FPÖ rief im Herbst zur Demo gegen eine Imam-Schule in Wien auf, zu der gerade einmal 250 Personen kamen. Noch ein Grund, der gegen eine Massendemo spricht: Nur vier Tage davor, am 29. Jänner, findet die Demo gegen den Akademikerball statt, bei der es vergangenes Jahr zu Gewaltausschreitungen von linksextremen Autonomen kam. Gut möglich, dass die Wiener dann bereits genug von Demonstrationen haben, egal wer dazu aufruft.

Eine andere Erklärung: Strache möchte sich und seine FPÖ nicht an der Seite gewaltbereiter, rechtsextremer Fußballhooligans sehen, die hinter Pegida Wien stecken sollen. Bereits bei der Demo gegen die Imam-Schule wurde über eine Teilnahme der "Hooligans gegen Salafisten" spekuliert. In Köln gingen 2500 gewaltbereite Hooligans auf die Straßen, 44 Polizisten wurden verletzt. Ähnliche Ausschreitungen in Wien könnten Straches Image beschädigen, der verstärkt ins bürgerliche Lager vorgedrungen ist.

Wind auf rechte Mühlen

Zwei Brüder erschießen "im Namen Allahs" ein Dutzend Menschen; ein 14-jähriger IS-Sympathisant will den Westbahnhof sprengen; 170 österreichische Dschihadisten - selten war der Nährboden für Islamophobie so fruchtbar. Die schwarzen Schafe des Islams sind Wasser auf den Mühlen der neuen Rechten. Während Antisemitismus und Rassenideologie nicht mehr salonfähig sind, trifft man mit der Angst vor dem radikalen Terror und der "Überfremdung" einen wunden Punkt. "Das ist die Gefahr, dass viele ihnen so auf den Leim gehen", sagt Peham vom DÖW.

Die Forderungen von Pegida decken sich zum Teil mit jenen der Identitären Bewegung Österreichs (IBÖ). Alexander Markovics, dem Obmann der Bewegung, geht Pegida aber nicht weit genug, obwohl er die Ideen begrüßt und als Privatperson in Wien mitmarschieren will. "Unsere Warnungen wurden ignoriert. Und jetzt haben wir gesehen, was passiert ist", sagt er mit einem Hauch Genugtuung in der Stimme. Wir treffen Markovics im Wiener Tirolerhof. Fast immer trifft er Journalisten im Traditionskaffeehaus. Er trinkt Melange und an den Wänden hängen Bilder vom Heldenplatz und dem Steffl. "Wir wollen, dass Österreich weiterhin das Land bleibt, in dem Österreicher leben", so Markovics. Und der Islam und "Masseneinwanderung" in Form von Asylwerbern seien eben eine Gefahr für Österreich und seine Kultur. Die Identitären fordern einen Asyl-Stopp. Sie sehen im Islam eine Bedrohung für das christlich geprägte Europa, die es abzuwehren gilt.

Die Bewegung wurde 2012 gegründet und zählt nach eigenen Angaben 200 aktive Mitglieder. Sie sind jung, vorwiegend männlich und österreichisch. Es gibt Ableger in fast allen Bundesländern. Aufgefallen sind sie durch Aktionen wie die Besetzung der Votivkirche während der Refugee-Proteste im Februar 2013 und einer Demo im Mai. Im September des Vorjahres haben sie auf dem Wiener Stephansplatz eine IS-Hinrichtung nachgestellt, "um auf die Gefahren der Islamisierung" hinzuweisen, so Markovics. Auf seinem T-Shirt steht das Symbol der Identitären, ein eingekreistes Lambda. Der griechische Buchstabe soll angeblich die Fahne von Sparta geziert haben, das 480 vor Christus die Perser zurückgedrängt haben soll. Unter diesem Symbol marschieren Identitäre in Frankreich, dem Mutterland der Bewegung, Deutschland und anderen europäischen Ländern. Der Feind ist überall gleich: der Islam und Multi-Kulti.

Die Gruppe ins Neonazi-Eck zu drängen ist aber zu einfach. "0 % Rassismus. 100 % Identitär" prangt auf ihren Flyern. Sie verurteilen öffentlich den Holocaust und den Nationalsozialismus. "Wir gestehen Muslimen zu, ihren Glauben auszuleben. Ich will nur nicht, dass sie es in Europa machen", so Markovics. Im Vordergrund der Bewegung stehen die eigene Kultur und das friedliche Zusammenleben der europäischen Völker. Sie träumen von einer europäischen Identitäre, die die "Festung Europa" aufbaut und in der es keinen Platz für Flüchtlinge gibt.

Geläuterte Neonazis?

Dass in der IBÖ auch Burschenschafter - Markovics ist selbst einer - und ehemalige Neonazis aus dem Dunstkreis der zerschlagenen Alpen-Donau-Gruppe rund um den rechtsextremen Gottfried Küssel sind, stört den Obmann nicht: "Menschen ändern sich. Sie haben mit dieser Szene nichts mehr zu tun. Wären wir rechtsextrem, würden wir unsere Forderungen mit Gewalt durchsetzen, was wir aber ablehnen."

Für den deutschen Verfassungsschutz und für Peham ist die Gruppe aber eindeutig rechtsextrem und verpackt klassische Ausländerfeindlichkeit in Islamophobie. Diese kommt besser als blinder Ausländerhass an. Man rühmt sich auch mit guten Kontakten zu den Freiheitlichen. Unter den Mitgliedern der IBÖ sind auch FPÖ-Mitglieder, bestätigt Markovics. Es habe auch schon gemeinsame Aktionen mit dem Ring Freiheitlicher Jugendlicher und der FPÖ im Burgenland gegen ein Asylheim gegeben.

Der behördliche Umgang mit der Gruppe ist schwierig. Weil sich die IBÖ lautstark vom Nationalsozialismus distanziert und sich, wie Pegida, bürgerlich gibt, greifen Verbotsgesetz und Verhetzungsparagraf hier nicht. Und Islam- und Asylfeindlichkeit sind nicht strafbar.