EU-Kommissar schlägt vergleichbares Steuermodell vor. | Widerstand der Briten und Iren: Statt Vereinfachung droht noch mehr Chaos. | Brüssel/Wien. Österreich läuft Gefahr, einen Standortvorteil zu verlieren: 2005 wurde - nicht zuletzt als Reaktion auf die EU-Osterweiterung 2004 - die Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent gesenkt.
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Zugleich wurde die Gruppenbesteuerung eingeführt: Grenzüberschreitend tätige Unternehmen können Verluste, die bei Töchtern im Ausland anfallen, mit Konzerngewinnen gegenverrechnen und ihre Steuerbasis dadurch verringern. Aus Sicht der Industrie konnte Österreich so seine Attraktivität als Standort für Unternehmenszentralen steigern - 2490 Gruppen nutzen laut Finanzministerium diese Vorteile.
Die EU unternimmt nun aber einen neuen Anlauf, die grenzüberschreitenden Unternehmenssteuern zu vereinheitlichen. Dabei geht es nicht nur um die Höhe der Steuersätze (siehe Kasten), sondern darum, was besteuert wird - also die Bemessungsgrundlage.
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta schlägt vor, dass die Gewinne und Verluste im "Haupt"-Land für die gesamten EU-weiten Tätigkeiten auf konsolidierter Basis ermittelt werden - also ähnlich dem österreichischen Modell. Diese Bemessungsgrundlage würde dann anteilig den Ländern zugerechnet: Semeta schlägt dazu einen Verteilungsschlüssel anhand von Vermögenswerten, Personalkosten und Umsatzanteilen der Unternehmen im jeweiligen Land vor. Das wäre die Steuerbasis, bei der der jeweilige nationale Körperschaftsteuersatz ansetzt.
0 bis 450 Millionen Euro
"Wir würden gleichgestellt mit den anderen Ländern. Negativ formuliert büßt Österreich dadurch einen relativen Vorteil ein", sagt Ralf Kronberger, Steuerexperte der Wirtschaftskammer Österreich, zur "Wiener Zeitung". Um beurteilen zu können, ob das nachteilig für den Standort wäre, müsste man die Bemessungsgrundlagen im Detail vergleichen können. So weit ist die EU aber noch nicht; Semeta will den Richtlinien-Entwurf im März vorlegen.
Beim Steuervorteil, den die Unternehmen durch die Gruppensteuer haben, gehen die Schätzungen auseinander: Kronberger spricht von 200 Millionen Euro im Jahr, die an Steuereinnahmen verloren gingen.
Im Finanzministerium gibt es dazu zwei Angaben: Denn schon vor 2005 hatten Unternehmen die Möglichkeit, Abschreibungen und Verlustvorträge steuerschonend zu nutzen - allerdings mit höchst aufwändigen Konstruktionen. Verglichen damit gehe "gar nichts verloren", sagt Pröll-Sprecher Harald Waiglein. Würde die Gruppensteuer in Bausch und Bogen inklusive aller Verlustausgleichsmöglichkeiten abgeschafft, wäre der Mehrertrag 450 Millionen Euro - das wäre allerdings EU-rechtswidrig und sei somit reine Fiktion.
Vorteile über EU hinaus
Österreichs Gruppensteuer hätte überdies selbst gegenüber einer einheitlichen EU-Unternehmenssteuer noch Vorteile, so Waiglein: Schließlich können Österreichs Unternehmen auch Verluste aus Nicht-EU-Staaten wie der Ukraine gegenrechnen.
Die SPÖ steht der Gruppensteuer an sich kritisch gegenüber: "Ich glaube, der Standortvorteil daraus wird überschätzt", sagt Finanzstaatssekretär Andreas Schieder zur "Wiener Zeitung". Die SPÖ habe nichts dagegen, wenn mutige Firmen "echte Verluste" aus der Erschließung neuer Märkte gegenverrechnen - sehr wohl aber, wenn die Gruppe als "Steuerschonmodell" verwendet werde.
Prinzipiell stehen sowohl Regierungsparteien als auch Wirtschaftskammer einer Harmonisierung der EU-Unternehmenssteuern positiv gegenüber: Damit würden Steuersätze erstmals vergleichbar und die Unternehmen könnten sich viel Verwaltungs- und Beratungsaufwand ersparen.
Die Crux: Dazu dürfte es nicht kommen, weil einstimmige Beschlüsse aller 27 EU-Länder nötig wären. Allen voran Großbritannien und Irland legen sich aber quer. Deshalb spricht EU-Kommissar Semeta bereits von einer Wahlmöglichkeit zwischen dem neuem Modell und den nationalen Varianten. Damit wären aber alle Vorteile schlagartig obsolet, sagt Kronberger: "Das hieße, dass zu 27 Modellen noch ein 28. dazukommt."